La bestia nel cuore Frankreich, Italien, Spanien, Grossbritannien 2005 – 120min.
Filmkritik
Missbrauch kommt im Schlaf
Wer häufig von leeren Gängen in einem mit schweren Vorhängen verdunkelten Herrschaftshaus träumt hat sie entweder zu oft «The Shining» gesehen - oder es geht ihm wie Sabrina, der Hauptdarstellerin in Cristina Comencinis sehr sehenswertem achten Drama über Kindesmissbrauch, Monster und Kunst, das für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert war.
Sehr lustig ist sie nicht, die Arbeit Sabrinas: Die Synchronsprecherin muss einen billigen Vergewaltigungsfilm ins Italienische übertragen. Nur ihre Chefin (zum Verlieben spröde: Angela Finocchiaro) erspart ihr das Durchhalten, weil «Gestöhn klingt in allen Sprachen gleich». Damit sind wir schon direkt drin im Monstrositätenkabinett, das Cristina Comencini hinter bürgerlichen Schiebewänden versteckt hat: Sabrina sieht zwar nett aus, hat aber einen enorm befremdenden Job; ihre Chefin wurde von ihrem Mann verlassen. Sabrinas Freund, ebenfalls Schauspieler, muss in einer dummen Krankenhausserie, deren Regisseur sich für ein verkanntes Genie hält, halbnackten Frauen Herzmassagen geben.
Das Ensemble ist aufgefächert, da bemerkt Sabrina, dass sie schwanger ist. Gleichzeitig suchen sie seltsame Albträume ihres gammeligen Elternhauses heim, in denen der Vater durch leere Flure schreitet und im Kinderzimmer Halt macht. Um das diffus Hochgespülte zu verstehen, fliegt die 30-jährige zu ihrem Bruder, einem verheirateten Professor. Dieser, von seinen ungleich präsenteren Erinnerungen an den Missbrauch fürs Leben gebrochen, hilft, der Vergangenheitsbestie auf die Spur zu kommen.
Zur selben Zeit - und hier kommt das romanhafte, parabelhafte stärker zu Wort - kämpfen die Daheimgebliebenen mit ihren Bestien und inneren Hunden: Sabrinas Freund geht fremd, ihre Chefin entdeckt die Frauenliebe und der Serienregisseur verzweifelt an seiner Verdingung. Spätestens hier wird die Grandiosität von «La bestia nel cuore» greifbar, sie liegt im Casting und in der Schauspielführung.
Weil Comencini ihren eigenen Roman verfilmt hat, weiss sie nicht nur genau, was und wie ihre Personen sein sollen, sondern die Charaktere sind in der Filmversion auf eine fast schon wieder überzeichnete Art lebensecht. Hier wird buchstäblich und übertragen eine Geschichte zum Leben erweckt, die zu Tode erschreckt und das Gesagte und das Ungesagte, das Sagbare und das Unsagbare zum Thema hat.
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