1:1 - Auge um Auge Dänemark 2006 – 90min.

Filmkritik

Innere Zerrissenheit

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Ging es in Annette K. Olesens letztem Film «In Your Hands» um ethische Konflikte und Glaubensfragen, handelt der grossenteils mit Laiendarstellern besetzte Film «1:1» von kulturellen Gegensätzen und Vorurteilen in einer Vorstadtsiedlung. Auch dieser Film geht unter die Haut.

Die 16-jährige Mie (Joy Petersen) lebt mir ihrem Bruder Per und ihrer Mutter Søs, einer Sozialarbeiterin (Anette Stovelbaek), in einer Kopenhagener Vorstadtsiedlung, in der überwiegend Immigranten leben. Mies palästinensischer Freund Shadi (Mohammed-Ali Bakier) gehört fast schon zur Familie.

Eines Nachts wird Per brutal zusammengeschlagen. Während er im Koma liegt, und man um sein Leben bangt, kursieren Gerüchte, wonach die Täter Ausländer seien. Bei Shadi erhärtet sich der Verdacht, dass sein arbeitsloser Bruder Tareq dahintersteckt, den er in derselben Nacht mit blutiger Nase ertappte. Shadi gerät in ein gewaltiges Dilemma. Einerseits möchte er Mie nichts verheimlichen, anderseits scheint es unmöglich, den eigenen Bruder zu verpfeifen. Als Mie über Umwege von seinem Verdacht erfährt, ist sie tief verletzt und sucht Trost bei Pers ausländerfeindlicher Clique. Die Ungewissheit über die Täter und die Reaktionen des Umfelds verunsichern sowohl Søs als auch Mie. Angst und Misstrauen werden geschürt; man klammert sich an Verdächtigungen und Vorurteile.

Annette K. Olesen bringt verschiedene Sichtweisen ein, sie beobachtet ihre Figuren, ohne sie zu verurteilen oder Partei zu ergreifen - für alle bringt sie ein gewisses Verständnis auf. Dabei werden auch Generationskonflikte angetönt: Shadis besorgte Eltern müssen zusehen, wie ihre Kinder ihnen ihr zunehmend westlich geprägtes Leben verheimlichen. Der verzweifelte Vater bittet um Vertrauen und ermahnt Tareq zugleich, vor seinem jüngeren Bruder nicht zu weinen. Solche Szenen verdeutlichen auf ergreifende Weise die Zerrissenheit der Secondos zwischen traditionellen Familienwerten und eigener Lebensgestaltung. Dies liegt nicht zuletzt an Olesens Eigenart, sehr nahe an die Figuren heranzugehen. In Close-ups ergründet sie die Gefühlsregungen in den Gesichtern. Als Kontrast nimmt sie die Figuren oftmals durch Glasscheiben und aus der Vogelperspektive auf - so schafft sie Distanz zwischen und zu den Figuren. Die Furcht, der Realität ins Auge zu sehen, zeigt sich in der Hemmung der Figuren, sich dem schwer verletzten Per zu nähern. Mie hält sich die Ohren zu, um den rasselnden Atem ihres Bruders nicht hören zu müssen, und Shadi versucht später, das beunruhigende Geräusch durch Boxen aus seinem Bewusstsein zu verbannen.

In diesem Film hat sich Olesen von der Dogma-Bewegung gelöst. Doch auch hier verfolgt sie konsequent Authentizität. Ein Happy End wäre unangebracht, so gerne man die Konflikte gelöst sähe. Doch die Spannungen werden bleiben; die Spirale von Vergeltung, Vorurteilen und gegenseitigem Hass dreht sich weiter. Überraschend und erschütternd endet «1:1» - und einmal mehr beweist die dänische Regisseurin ihr Einfühlungsvermögen und ihr grosses Talent für aufwühlendes, gehaltvolles Kino.

10.11.2020

4

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Kommentare

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samindy

vor 17 Jahren

Sorry das ich so blöd Frage aber welche Sprache spricht der Film bzw welche Sprache ist die Original Sprache und hat er Untertittel??? Bitte schnell Antworten


anjo007

vor 17 Jahren

Guter Film...


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