Daratt Österreich, Belgien, Tschad, Frankreich 2006 – 95min.

Filmkritik

Das Unvergebbare vergeben

Filmkritik: Stephan Sigg

Atim will sich am Mörder seines Vaters rächen. Bewaffnet mit einem Revolver macht er sich auf den Weg in die Stadt. Doch die Begegnung mit dem Mörder fällt anders aus als geplant: ein Film aus dem kriegsgebeutelten Tschad.

Die Regierung im Tschad hat eine allgemeine Amnestie erlassen. Dies soll dem Teufelskreis der Gewalt, unter dem die Bevölkerung seit 1965 leidet, ein Ende setzen. Der 16-jährige Atim (Ali Bacha Barkai) erhält von seinem Grossvater einen Revolver, damit er den Mann töten kann, der seinen Vater umgebracht hat. Atim verlässt das Dorf und reist in die Hauptstadt. Nassara (Youssouf Djaoro), der Mörder seines Vaters, ist inzwischen 60 Jahre alt und bäckt in seiner eigenen Kleinbäckerei mit einfachen Mitteln Brot.

Er wird von seinen Mitmenschen respektiert. Zahlreiche Kinder finden sich täglich vor seinem Tor ein, da der Bäcker Brotreste gratis an die Hungrigen verteilt. Nur Atim scheint zu wissen, dass dieser Mann im Krieg getötet hat. Atims Plan, mit dem Mörder kurzen Prozess zu machen und dann schnell wieder nach Hause zu fahren, wird begraben. Stattdessen beginnt er beim Bäcker eine Lehre und kommt so dem Mörder seines Vaters näher. Aber ist eine Freundschaft zwischen den beiden Männern tatsächlich möglich? Die brisante Frage spitzt sich zu, als der Bäcker Atim adoptieren will.

"Daratt" ist kein Kriegsfilm, er beschäftigt sich mit der Zeit danach - mit den Hinterbliebenen, die mit den aufgerissen Wunden leben und lernen müssen, sich mit den Tätern zu versöhnen. Dies ist nicht so einfach und eindeutig zu handhaben, wie Rache zu üben. Der Film kommt äusserst ruhig und langsam daher. Es wird kaum gesprochen, die Dialoge sind kurz - viel wichtiger als Worte sind die Gesten, die ausgetauscht werden. Die beiden Protagonisten lassen nicht so leicht in ihr Inneres blicken. Die fremden Sitten und Lebensweise erschweren zu Beginn des Films den Zugang.

Der afrikanische Filmemacher Mahamat-Saleh Haroun ("Bye Bye Africa") konfrontiert den Zuschauer mit der Realität des vom jahrelangen Krieg traumatisierten Tschad. Die zentralen Themen sind jedoch von universaler Bedeutung: Wie gehen Opfer und Täter miteinander um? Was sind die Voraussetzungen für eine Versöhnung und wie lässt sich ein Rache-Teufelskreis unterbrechen? Keine einfachen Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Und wie lebt man hinterher miteinander weiter? "Daratt" scheint nicht den Anspruch zu haben, die Lösung zu kennen, sondern eher zum Nachdenken über Vergebung und Versöhnung anzuregen.

15.02.2024

4

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Kommentare

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Patrick

vor 15 Jahren

Ein Meisterwerk das ohne viel Worte auskommt!
Dieser Film bekam viele Preise, z. b. den Unesco Award 2006 u. s. w.!
Für alle die Arthouse-Filme mögen ein muss sich diese DVD zu kaufen.
Zum schluss noch ein Kino oder später DVD-TIP: Babas Song(siehe meine kritik) auch ein Film über Freundschaft in Afrika.Mehr anzeigen


tatanja

vor 17 Jahren

Dies ist ein ganz spezieller Film mit so gut wie keiner Handlung aber mit vielen Bildern. Häufig wird nicht viel gesprochen, den die Bilder sagen genug. Man fühlt den inneren Kampf zwischen Liebe und Hass sehr gut mit. Ein wirklich guter, aber auch sehr spezieller Film. Wer Action mag ist hier fehl am Platz.Mehr anzeigen


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