Das Fräulein Deutschland, Schweiz 2006 – 81min.
Filmkritik
Amélie von Zürich
Über den Schweizer Film wird momentan nicht nur viel geredet, er wird zum Glück auch gemacht. Der diesjährige Locarno-Gewinner "Das Fräulein" dürfte dabei ganz der neuen Formel der Filmförderung entsprechen: "Qualität und Popularität".
Grauer Arbeitsalltag irgendwo in Zürich: Ruza (Mirjana Karanovic), vor 25 Jahren aus Jugoslawien in die Schweiz gekommen, ist heute die Betreiberin einer Kantine. Ihren Traum vom Wohlstand hat sie sich erfüllt; die Geschäfte laufen gut, und sie wacht mit Argusaugen darüber, dass alles nach Vorschrift abläuft und niemand aus der Reihe tanzt. Doch wirtschaftliche Sicherheit ist eben nicht identisch mit Glück - Ruza führt ein freudloses, einsames Leben. Zu ihrer langjährigen Angestellten Mila (Ljubica Jovic) ist sie ebenso kühl und zurückweisend wie zu dem Stammgast, der ihr schon lange erotische Avancen macht. In diese ereignislose und kalte Welt platzt eines Tages die junge Ana (Marija Skaricic) herein, eine lebenshungrige Frau, die fest entschlossen ist, jeden Moment ihres Lebens in vollen Zügen zu geniessen.
"Das Fräulein" - der Titel bezieht sich ebenso auf die zugeknöpfte Ruza wie auch auf Ana - entwirft anhand der weiblichen Hauptfiguren drei unterschiedliche Migrantenschicksale. Mila, die seit Jahren für ihr Haus in Kroatien schuftet und aber nicht mehr zurück will, Ruza, die vor lauter Sorge ums Geld alles Menschliche zurückstellt, und schliesslich Ana, die Überlebende des Bosnienkrieges, die ein trauriges Geheimnis mit sich herumträgt und die kurze Zeit, die ihr noch bleibt, um jeden Preis auskosten will.
Andrea Stakas Film hat am diesjährigen Filmfestival von Locarno den ersten Preis gewonnen, und man tut dem Film kein Unrecht, wenn man anmerkt, dass diese Auszeichnung nicht zuletzt der schwachen Konkurrenz im Wettbewerb zu verdanken ist. "Das Fräulein" ist ein sorgfältig und solide gemachter Film, aber inhaltlich oder formal keinesfalls so innovativ, wie man es von einem Locarno-Gewinner vielleicht erwarten würde.
Die unkonventionelle Ana scheint es sich zum Ziel gemacht zu haben - darin ist sie ganz die tragische kleine Schwester Amélie Poulains -, ihr Umfeld gehörig aufzurütteln. Die steife Ruza wird für sie zur echten Herausforderung, und sie ruht nicht, bis sie auch ihr ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat - der Plot ist altbekannter Melodramstoff und insgesamt ziemlich absehbar. Es ist in erster Linie den Schauspielern und der Regie zu verdanken, dass sich Stakas Film deutlich über das Mittelmass seines Drehbuches erhebt. Vor allem Karanovic liefert ein eindringliches Portrait einer zwar wirtschaftlich erfolgreichen, ansonsten aber völlig entwurzelten Frau.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 17 Jahren
Da der Film so gelobt wurde habe ich mich mitschleppen lassen. Ich will nicht sagen, dass der Film nicht gut ist, aber er ist ganz und gar nicht meine Sache.
Ob "schön" das richtige Wort ist bin ich mir nicht sicher. Amélie ist romantischer. Das Fräulein trockener. Aber schlussendlich trotzdem ein sehenswerter Film der berührt.
Ich finde, der Film wurde in Locarno zur Recht mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Die drei Hauptdarstellerinnen spielen sehr überzeugend und es hat viele starke Szenen im Film, z. B. die Überraschungsparty für Ruza. Immer schön auch: ein Film, der in Züri spielt. Das Ende hat mir dagegen nicht so gefallen.… Mehr anzeigen
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