Das Leben der Anderen Deutschland 2006 – 126min.

Filmkritik

Die Schattenseite der Sonnenallee

Simon Spiegel
Filmkritik: Simon Spiegel

Dass das Leben in der DDR nicht nur eitel Sonnenschein war, dürfte allgemein bekannt sein. Doch im deutschen Nach-Wende-Kino herrschten bisher (n)ostalgische Töne vor, wenn es um die Darstellung des Arbeiter- und Bauernstaats ging. «Das Leben der Anderen», das Kinodebut von Florian Henckel von Donnersmark, tritt nun an, dies zu korrigieren.

Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) ist die Verkörperung des linientreuen DDR-Bürgers. Stets korrekt und ohne jeden Anflug von Sentimentalität geht er seiner Arbeit, dem Aufspüren unsozialistischen Verhaltens, nach. Wiesler, ein Meister der Überwachung und des Verhörs, der den Klassenfeind an den kleinsten Indizien erkennt, erhält den Auftrag, den erfolgreichen Schriftsteller Georg Dreymann (Sebastian Koch) zu überwachen. Schnell wird ihm klar, dass Dreymann, dessen Lebenswandel tadellos ist, nur eine Schachfigur in einem schmutzigen Spiel ist. Wieslers Chef (Ulrich Tukur) erhofft sich von der Entlarvung des prominenten Dreymanns einen Karriereschub, und dessen Vorgesetzter (Thomas Thieme) wiederum ist hinter der Freundin des Observierten (Martina Gedeck) her. Dreymann muss dran glauben, und wenn es dafür keinen Grund gibt, dann inszeniert man eben einen.

Der real existierende Sozialismus ist hier kein visionäres Projekt, sondern ein kleinkarierter Lügenstaat, der sich vor seinen eigenen Bürgern fürchtet und selbst Unschuldige rund um die Uhr bespitzelt; persönliche Eitelkeit und Intrigen haben grosse politische Ideale ersetzt. Allmählich kann sich auch der Vorzeigesozialist Wiesler nicht mehr vor der deprimierenden Wahrheit verschliessen und verzweifelt an dem System, dem er sein Leben gewidmet hat. Auch Nationalschriftsteller Dreymann hadert mit sich und der Welt: Als sich ein mit Berufsverbot belegter Freund das Leben nimmt, entschliesst er sich zum Bruch.

In der Inszenierung des miefigen DDR-Alltags, dieser absonderlichen Mischung aus Diktatur und Spiessertum, liegt die grosse Stärke von «Das Leben der Anderen»; hier gelingt es dem Film das angestrebte Gegengewicht zu Filmen wie «Sonnenallee» zu bilden. Aber während Ulrich Mühe ein wirklich erschütterndes Portrait eines Verlierers entwirft, wirkt Sebastian Koch nie ganz überzeugend. Das liegt weniger am Können des Schauspielers, sondern an dessen zu konstruierter Rolle, deren Kombination aus Naivität und Opportunismus nicht stimmig ist. Vollends missglückt ist der überlange Epilog, dessen Bemühen um Versöhnung den Regisseur zwar ehrt, in Sachen dramaturgischer Ökonomie aber das krasse Gegenteil des übrigen Films ist; die Gesamtwirkung des Films aber schmälert dies glücklicherweise nur unwesentlich.

25.05.2021

4

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Kommentare

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frozone

vor 5 Jahren

Toller Film über das DDR-Stasi-Regime. Nicht zuletzt dank der nuancierten Schauspielleistung von Ulrich Mühe (RIP).


Movie_Maniac

vor 7 Jahren

Ein eigentlich sehr guter Film, der einem durch ein tolles Szenenbild und überzeugende Darsteller in die Zeit der DDR zurückversetzt. Auch die Handlung ist spannend und stellenweise sehr packend. Für den Durchschnittszuschauer aber eher nicht zu empfehlen, da während des halben Films Fachchinesisch gesprochen wird und es so fast anstrengend ist der Handlung aufmerksam zu folgen. Dadurch kann "Das Leben der Anderen" zwar das Zielpublikum, welches sich zuvor schon intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben muss, sicherlich überzeugen. Für die breite Masse ist der Streifen aber eher nichts.
7/10Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 12 Jahren

Diesen hätte ich sehr gerne im Kino gesehen. Ob eine Einmischung angemessen ist oder sein Gewissen zu erleichtern geht in der heutigen Gesellschaft leider mehr und mehr unter. Bedauernswürdig, denn diese Schatten werden von Leuten geworfen ohne Gewissen, die irgendwann selber an einem schlechten Gewissen zu Grunde gehen.Mehr anzeigen


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