Khadak Belgien, Deutschland, Niederlande 2006 – 104min.
Filmkritik
Mongolisch auf Westlich
Bildgewaltige und in der Mongolei angesiedelte Zivilisationskritik eines belgischen Anthropologen und einer amerikanischen Dokumentarfilmerin: Leider erstarrt der letzte Drittel des Films zu einem altmodischen Agitprop-Theater.
Seit einigen Jahren lenkt eine neue Generation von mongolischen Filmemachern die Aufmerksamkeit des westlichen Publikums auf die Kultur der halbnomadischen Völker im Inneren der Mongolei. Unprätentiös und authentisch erzählen junge Regisseure wie Byambasuren Davaa, Wang Quan'an oder Ning Cai von der aussterbenden Lebensweise ihres Volkes. Im Zentrum ihrer Filme steht nicht nur dessen entbehrungsreiches Leben im Einklang mit der Natur und seine animistisch geprägte Beziehung zur Tierwelt, sondern auch die hereinbrechende Modernisierung mitsamt ihrer verheerenden Konsequenzen.
Das Regie-Debüt des Anthropologen Peter Brosens und der Dokumentarfilmerin Jessica Woodworth wandelt zwar auf demselben thematischen Pfad seiner mongolischen Vorbilder, weicht in vielerlei Hinsicht aber auch davon ab. Eröffnet wird "Khadak" mit einer beeindruckenden Bilderfolge, die in ihrer meditativen Exotik vorerst sämtliche Vorstellungen und Erwartungen zum mongolischen Film erfüllen. Aus der dunklen Geborgenheit einer Jurte hinaus in die weisse Weite der winterlichen Steppe und wieder zurück führt der Film zu Bagi (Batzul Khayankhyarvaa), seiner Hauptfigur.
Der Hirtenjunge lebt mit seiner Familie in der eisigen Leere der mongolischen Steppe. Nach einem epileptischen Anfall wird ihm in einer verstörenden Vision seine Bestimmung zum Schamanen offenbart. Bagi sperrt sich gegen diese mystische Gabe, die sich just in dem Moment wieder bemerkbar macht, als er zusammen mit der lokalen Nomadenbevölkerung nach Ausbruch einer Tierseuche in eine Bergarbeiterstadt zwangsumgesiedelt wird. Das Pferd gegen ein Motorrad, die Jurte gegen einen Plattenbau eingetauscht, spürt der Nomade zunehmend die Nähe der angeblich toten Tiere. Mit Hilfe der Kohlendiebin Zolzaya (Tsetsee Byamba) entlarvt er die Seuche als List der Regierung, welche die Nomaden zur Sesshaftigkeit zu zwingen will. Durch einen weiteren epileptischen Anfall in die geistige Welt der Schamanen zurückgestossen, zettelt Bagis Seele eine Revolution unter den Umsiedlern an.
Ist es dem Film bis zu diesem Zeitpunkt gelungen, durch die Wirkung seiner ebenso unzugänglichen wie wunderschönen Bildersprache eine fesselnde und mystische Spannung aufrecht zu erhalten, wird ab dem letzten Erzähldrittel die Weite des Himmels und der Steppe zur Kulisse einer platten Theaterdarbietung umfunktioniert. Die trotzig blickende mongolische Jugend, gewandet in eine Art Rockerkluft, choreographiert in schwülstigen Gesten die Weltrevolution, welche in ihrem Stummfilmpathos jede Eurythmie-Vorstellung in den Schatten stellen würde. "Khadaks" vordergründige Zivilisationskritik, zu Beginn noch sinnvoll in einer nomadischen Welt verortet, erstarrt letztlich und sprichwörtlich in eine pseudorevolutionären Agitprop-Aufführung, deren westliche Bühnenbild-Ästhetik in ärgerlicher Disharmonie zum gelungenen Teil des Films gegenübersteht.
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Kommentare
Wunderschöne Landschafts-Aufnahmen.
Inhalt etwas zwiespältig.
Zeitweise etwas langatmig...
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