Neandertal Deutschland 2006 – 103min.

Filmkritik

Man kratzt, wenn es juckt...

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

In Deutschland boomt derzeit das heimische Kino wie selten zuvor; die unterschiedlichsten Filme, groß und klein, drängen auf die Leinwände. Ein Teil dieses Booms verdankt sich ironischerweise auch dem Fernsehen, das - wie in kaum einem anderen Land - als Koproduzent aktiv ist und mitunter sogar ganz gezielt junge Filmemacher fördert.

Genau aus dieser Schmiede stammt auch "Neandertal" von Ingo Haeb und Jan-Christoph Glaser, in dem - ausgehend von Haebs Drehbuch - die Geschichte des an Neurodermitis leidenden Teenagers Guido (Jacob Matschenz) erzählt wird. Der 17-jährige kämpft schon seit Jahren gegen die tückische Hautkrankheit und wird immer wieder von schlimmen Schüben geplagt.

Das soll nicht heißen, dass Guido nicht ganz gut zurecht käme im Leben, immerhin hat er eine verständnisvolle Freundin, einen lässigen Kumpel zum Abhängen und auch zu Hause, von der beinahe üblichen Sprachlosigkeit zwischen allen Familienmitgliedern abgesehen, keine allzu großen Sorgen. Seine gesundheitliche Lage aber verbessert sich erst, als er die heimische Enge gegen ein Leben auf eigenen Füßen eintauscht und in dem ebenso draufgängerischen wie labilen Rudi (Andreas Schmidt, mal wieder unoriginell, aber überzeugend besetzt als schräger Vogel) ein Vorbild findet.

Es ist durchaus mutig, wenn ein Film sich als Thema eine reichlich unansehnliche Krankheit wie Neurodermitis wählt, und umso erfreulicher ist es, wie ernsthaft und glaubwürdig "Neandertal" sich der Sache zunächst annimmt. Schade nur, dass die medizinische und psychologische Zusammenhänge spätestens ab der Hälfte des Films dann doch zu Gunsten einer recht konventionellen Geschichte übers Erwachsenwerden in den Hintergrund treten. Arg durchschaubare Metaphern und Zusammenhänge, die im Coming-of-Age-Genre keine Seltenheit sind, und eine leichte dramaturgische Überfrachtung durch Einzelschicksalsschläge und eine unnötig ins Spiel gebrachte Pistole trüben den guten Eindruck jedoch bald ein wenig.

Auch optisch lassen sich Schwächen bemängeln, was nicht zuletzt eine Folge der eingangs erwähnten Förderung durch das ZDF zu verdanken ist. Denn wie so viele, vergleichbar kleine Spielfilme aus deutschen Landen wurde auch "Neandertal" erkennbar eben nicht für die große Leinwand, sondern den kleinen Fernsehbildschirm gedreht, was nicht nur, aber vor allem an der mangelnden Tiefenschärfe zu erkennen ist. Weil aber für das Gelingen eines Filmes natürlich andere Faktoren noch entscheidender sind, ist das sympathische Drama dennoch ein angenehmer und bisweilen vielschichtiger Beitrag zum derzeitigen Boom des deutschen Kinos. Denn nicht nur liefern die Regisseure eine souverän-stimmungsvolle Inszenierung ab, sondern haben sich auch für den idealen Hauptdarsteller entschieden. Dem talentierten Jacob Matschenz, der auch in "Die Welle" zu sehen ist, dürfte jedenfalls eine prächtige Zukunft bevorstehen.

23.04.2008

3

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Kommentare

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jusch08

vor 16 Jahren

Gerne würde ich diesem Film bewerten bzw. darüber schreiben, da ich selber einen von Neurodermitis betroffenen erwachsenen Sohn habe. Leider wird dieser Film in Hamburg nur heute gezeigt - für mich ist ein Kinobesuch heute leider nicht möglich...


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