Ostrov - The Island Russische Föderation 2006 – 112min.

Filmkritik

Vom unfreiwilligen Mörder zum geplagten Wunderheiler

Filmkritik: Stephan Sigg

Nur dank seiner Hysterie überlebt der russische Soldat 1942 den Angriff der Angriff der Deutschen: Die Nazis zwingen ihn, seinen Hauptmann zu erschiessen. Dafür lassen sie ihn am Leben. In seiner Verzweiflung drückt der Soldat ab. Der Leichnam seines Hauptmannes verschwindet sofort in den Fluten. Zurück bleibt ein geschockter Soldat, der ahnt, dass er zwar noch am Leben ist, den Grund dafür aber nicht vergessen wird.

Der Soldat wird ans Ufer einer Insel gespült und findet Unterschlupf in einem abgelegenen Männerkloster, das auf der kargen, verwitterten Insel eine Art Mikrokosmos gebildet hat. In dieser Einsiedelei verbringt der Soldat fortan sein Leben. 34 Jahre später ist er in der weiteren Region als Heiler bekannt. Menschen aus Nah und Fern reisen an, um bei Vater Anatoly, wie sich der Soldat nun nennt, Rat und Heilung zu suchen. Doch auch wenn Anatoly mit Gottes Kraft viel Gutes tun kann, betet er unaufhörlich um Vergebung für seine Tat in den Kriegstagen. Zwar glaubt Anatoly an Gottes Barmherzigkeit, doch auf sich selber kann er sie nicht übertragen. Vergibt Gott tatsächlich auch einen Mord? Eines Tages geschieht das Unglaubliche: Ein weitgereister Admiral trifft mit seiner von Dämonen geplagten Tochter ein. Und im Admiral glaubt Anatoly einen alten Bekannten zu erkennen.

Mit "Ostrov" hat Pavel Lungin ("Taxi Blues") einen ruhigen, langsamen Film gedreht, der vor allem durch seine Schlichtheit und die karge Landschaft der Insel überzeugt. Zwischendurch lassen einen aber auch immer wieder lustige Szenen schmunzeln. Denn der Gottesfürchtige Anatoly liebt Schalk und ist ein Spitzbube geblieben.

Gedreht wurde der Film in Kem, eine kleine Insel im Norden des Weissen Meeres, wo Regisseur Pavel Lungin die richtige Kulisse entdeckte: Einen halbgesunkenen Lastkahn und eine alte Heizanlage - wahrscheinlich ein Überbleibsel aus den Zeiten der Gulags.

Lungin fand nicht nur den idealen Drehort, sondern auch die perfekte Besetzung. Neben Hauptdarsteller Pjotr Mamonov, der den kauzigen, alten Wunderheiler bestens verkörpert, überzeugen auch die Mönche (u.a. Dmitrij Djuschev und Viktor Suchorukov) des abgelegenen Klosters. Passend zu den visuellen Leckerbissen reiht sich auch der schlichte Soundtrack von Vladimir Martynov hervorragend in das bewegende Drama ein. "Ostrov" ist ein Film, in dessen Atmosphäre man gerne für zwei Stunde eintaucht, alles um sich herum vergisst, den Alltag eines orthodoxen Klosters kennenlernt und hinterher noch lange über Schuld, Sünde und deren Vergebung sinniert.

19.10.2021

5

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Kommentare

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vonfulda1987

vor 17 Jahren

Schon nur die wunderschön-kühlen, ganz in Grautönen gehaltenen Farben und die Wasserbilder bilden die Basis für die Tiefschürfigkeit dieses Films. Die Handlung, die Dialoge und die Charaktere sind nicht nur loses Beiwerk, sondern tragen zu einem grandiosen Gesamtwerk bei.


kater67

vor 17 Jahren

Mystisch, landschaftlich gewaltig & genial einfach, aber mit grossem Tiefgang. Ein bildliches und emotionales Meisterwerk.


cameleonspecies

vor 17 Jahren

Fähig zu sein ein schlechtes Gewissen zu haben, scheint irgendwie gut.


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