Red Road Dänemark, Grossbritannien 2006 – 113min.

Filmkritik

Die Faszination des Verbotenen

Sarah Stähli
Filmkritik: Sarah Stähli

Jackie sieht sich jeden Tag unzählige kleine Filme an: Ein Mann führt seine alte Bulldogge spazieren, eine Gruppe betrunkener Jungs zieht grölend durch die Strassen, eine Putzfrau tanzt zur Musik, die aus ihren Kopfhörern ertönt.

Jackie, eindrücklich gespielt von Kate Dickie, ist Sicherheitsangestellte in einem Videoüberwachungszentrum in einem ärmlichen Stadtteil Glasgows. Eines Tages macht sie auf einem der Bildschirme eine unheimliche Entdeckung und begibt sich auf einen Trip in die dunklen Windungen ihrer Vergangenheit. Sie nähert sich dem Menschen, den sie am liebsten aus ihrem Leben ausradieren würde.

«Red Road» der in Cannes mit dem Prix du Jury ausgezeichnet wurde, ist der erste Teil einer Trilogie mit dem Titel "Advance Party". Initiiert wurde das Filmprojekt von Lars von Trier. Wie bereits in seinem vor gut zwölf Jahren verfassten Dogma-Manifest müssen auch bei den "Advance Party"-Filmen bestimmte Regeln eingehalten werden: Drei Filmemacher - ausgewählt von Lars von Trier - drehen drei voneinander unabhängige Filme, in denen jedoch stets dieselben neun Figuren vorkommen. Die verschiedenen Figuren werden in allen Filmen mit den gleichen Schauspielern in den gleichen Rollen besetzt, alle Filme müssen in Schottland spielen. Die Figuren wurden vom dänischen Star-Drehbuchautor Anders Thomas JensenAdam's Apples») und der Regisseurin Lone ScherfigWilbur Wants to Kill Himself») entwickelt. Ganz abgesehen von dieser reizvollen Ausgangslage ist Arnold mit ihrem ersten Langspielfilm ein geheimnisvolles und unbequemes Debüt gelungen.

In den ersten Filmminuten wird kaum gesprochen, wir schauen zusammen mit Jackie beinahe gleichgültig den kleinen Tragödien zu, die sich auf der hohen Wand von Bildschirmen abspielt. Schmunzeln, langweilen uns vielleicht, erschrecken, möchten mehr sehen, näher ran zoomen und warten darauf, dass etwas von Bedeutung sichtbar wird, etwas passiert. Von der ersten Minute an ist der Film auf eine seltsam unaufgeregte Art spannend und fesselnd. Arnolds ausdrucksstarke, zugleich unprätentiöse und ungemein dichte Bildsprache (Kamera: Robbie Ryan) vermittelt latent eine gespenstische, unterschwellige Gefahr, die vom langsamen Erzählrhythmus des Filmes noch verstärkt wird. Die Regisseurin lässt dem Zuschauer viel Zeit zum Überlegen, genügend Zeit auch, um falsche Schlüsse zu ziehen und sich Fragen zu stellen. Arnold gibt keine Antworten auf diese Fragen und liefert auch keine schönfärberische Geschichte der Vergebung. Mit der Zeit stellt sich lediglich ein Verständnis für die, im ersten Augenblick, unverständlichen Handlungen der verzweifelten Figuren ein.

Red Road wurde bereits mit den Filmen des österreichischen Regisseurs Michael HanekeCaché») verglichen. Im Gegensatz zu Haneke besitzt Arnolds Film, trotz der düsteren Trostlosigkeit, Momente der Wärme und Zuversicht und ist in der unbeschönigenden Darstellungen der englischen Working Class und der realitätsnahen Figurenzeichnung eher mit den Filmen Mike Leighs verwandt. Doch als persönliches, die Oberfläche durchbrechendes Werk braucht «Red Road» keine Vergleiche zu scheuen.



10.11.2020

4.5

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Kommentare

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raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film genügend.


natrule

vor 17 Jahren

Ein sehr komischer Film. Hat mir nicht besonders gefallen.


sonja555

vor 17 Jahren

Kann mir jemand sagen, von wem das Lied war, das gespielt wurde, als Jackie und Clyde an seiner Party zum ersten mal sich näher kamen und miteinander tanzten?


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