Badland Deutschland, USA 2007 – 160min.

Filmkritik

Jenseits der Stille

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Traumatisierter Irakveteran tauscht Tankstellenjob gegen Amoklauf und flieht mit zuckersüßer Tochter quer durch die USA - im Hintergrund Geigen.

Wer kollektive Traumata aus der Abstraktheit lösen und in Filmhandlung, Bilder, konkret erlebbare Gefühle übersetzen möchte, macht sich als Autorenfilmer zwangsläufig verwundbar. Nicht alle aber tun das so selbstbewusst und jenseits der Zweifel wie Francesco Lucente mit seinem 160-Minuten-Epos, das sich permanent selbst auf die Schulter zu klopfen scheint - dabei aber den Pathos bis zur unfreiwilligen Komik steigert und sämtliche Figuren wie im Vorübergehen in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt.

Auch wenn die Schauspieler sich mit passablen Leistungen gegen die dramaturgischen Ungeheuerlichkeiten des Drehbuchs und den schlimmsten Score des Jahrzehnts stemmen und für eindringliche Szenen und berührende Momente sorgen - will man den Inhalt von «Badland» zusammenfassen, kommt man am ironischen Tonfall schwer vorbei: Jerry (Jamie Draven) ist in seinem Mac-Job an der Tankstelle Schikanen und Intrigen ausgesetzt, das frustrierende White-Trailer-Trash-Leben im Wohnwagen mit drei Kindern und nächtlichen Alpträumen vom Krieg nebst PTSD-Nasenbluten stresst zusätzlich und dann ist da noch seine hochschwangere, dauernörgelnde Frau Nora (Vinessa Shaw).

Als er entdeckt, dass die Herzdame ihn ebenso betrogen hat, wie einst der Präsident, erschießt er sie kurzerhand als sie wünscht, er wäre «da drüben gestorben». Dann aber übertreibt der gestresste Veteran und ballert auch noch die spielenden Söhne nieder - bei Tochter Celina (Grace Fulton) klemmt das Magazin. Und weil ihn das Mädchen trotz der gerade angesehenen Gräueltat so arg lieb hat, kann Papa sie dann nicht mehr töten und flieht mit ihr gemeinsam.

Natürlich ahnt Jerry, dass er etwas Böses getan hat und kann infolgedessen sein weiteres Leben, sprich die folgenden zwei Stunden Filmhandlung, nicht ganz unbeschwert genießen. Etwas, dass der Held mit dem Zuschauer gemein hat. Aber im Gegensatz zu diesem muss Jerry nicht hören, wie selbst ein simpler Gang über die Straße von Hörnern, Geigen und Chören begleitet zum «Ennio Morricone meets Doktor Schiwago»-Spektakel wird. Und auf der Handlungsebene hat Jerry eigentlich alles: Trotz landesweiter Fahndung findet er einen neuen Job im Diner, wo auch die Polizei gerne mal Mittag macht. Locker wie Jerry ist, freundet er sich mit Sheriff Max (Joe Morton) lieber an, als zu türmen. Denn schließlich ist Max auch Veteran und bei dessen Traumabewältigung kann der einfühlsame Amokläufer auch ganz gute Dienste tun, ein echter Freund und Soldatenversteher eben. Die heiße Chefin (Chandra West) hat auch ein Auge auf Jerry geworfen und so lange Celina im Hotelzimmer versteckt bleibt und sich an Gott klammert anstatt Papas «kleines Geheimnis» auszuplaudern, ist alles im Lot.

Der Zuschauer derweil, der sich trotz aller sentimentalen Close-ups und selbstgefällig-bedeutungsschwangeren Landschaftsaufnahmen in der «magic hour» nicht recht mit dieser unangenehmen Hauptfigur identifizieren mag, wird über die Backstory des Helden via TV belehrt, bekommt Antikriegs-Platitüden mit auf den Weg, die noch für die nächsten vier Filme reichen und erlebt innere Krisen der Charaktere vor allem in Form von unfassbar zähen Bekenntnismonologen. Denn Zeit genug nimmt sich dieses Möchtegern-Epos - die Frage, ob der Cutter im Schneideraum eingenickt ist, beantwortet der Blick auf die Credits: Hier schneidet der Regisseur und Autor auch noch selbst.

Zur Langeweile gesellt sich im Filmerleben zunehmend der Ärger über die ethisch fragwürdige Autorenhaltung, die dem Ernst des Sujets völlig unangemessen mit Sentimentästhetik und plakativen Botschaften zu manipulieren versucht und dabei ebenso unecht wirkt wie das Fingerfarbenfilmblut im Gesicht des Sheriffs. Und wenn die Geschichte dann schließlich ihr überraschend dummes Ende gefunden hat, möchte man dringend zum Bücherregal eilen und noch einmal nachlesen, was Adorno zur Verbindung von Pathos, Sentimentalität, Musik, autoritärem Charakter und Faschismus geschrieben hat.

05.05.2008

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