Cassandras Traum Grossbritannien, USA 2007 – 108min.

Filmkritik

Hello Goodbye

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

"Match Point" zum zweiten: Der alternde Meister Woody Allen verabschiedet sich aus London und macht zur Abwechslung das, was er am besten kann. Er wiederholt sich.

Es war wie der Beweis, dass man sich auch im hohen Alter noch ändern kann, als Woody Allen vor zwei Jahren mit "Match Point" überraschte und warmen Applaus für einen Re-Turn erhielt, den ihm nicht einmal mehr sein Fan-Club zugetraut hatte. New Yorks berühmtester Neurosen-Züchter hatte sein Paradies verlassen und war nach London gezogen, um einen Film zu drehen, der mehr mit einem Hitchcock gemein hatte als mit all den Allens, die von Hornbrillenträgern erzählen, die mit jeder Frau ausser der eigenen schlafen wollen und Lust auf einen Polen-Feldzug kriegen, wenn sie zu viel Richard Wagner hören.

War "Match Point" vor allem anders, noch nie gesehener Allen, so ist "Cassandra's Dream" der etwas offensichtliche Versuch einer Wiederholung dessen, was ihm mit "MatchPoint" irgendwie unverhofft geglückt war. Noch einmal umkreist der längst über 70-Jährige in Kriminal-Form die Figur des gesellschaftlichen Aufsteigers. Wieder variiert er das brüchige Verhältnis von Schein und Sein. Erneut räsonniert er über das Glück, das den Menschen so grundlos heimzusuchen pflegt, wie es ihn ohne Warnung zu verlassen beliebt. Leicht verschoben hat sich allerdings das Milieu: "Match Point" spielte in der englischen High Society - "Cassandra's Dream" handelt von zwei Brüdern, die tief in der "Working Class" zu Hause sind - und hoch bis höher hinauswollen; der eine (Ewan McGregor) besonders, der sich sich eine Schauspielerin (Hayley Atwell) angelt, die teuer ist im Unterhalt. Der andere (Colin Farrell) repariert Autos und frönt feierabends den Zaster-Lastern des Trinkens, Pokerspiels und auf Hunde Wettens. Ihre zunehmenden Geldsorgen sind es, welche die Brüder dazu zu zwingen meinen, für ihren Onkel (Tim Wilkinson) einen Mord zu verüben.

Nicht nur die englische Kritik gefiel sich darin, Allen vorzuhalten, seine (britischen!) Schauspieler schafften es nicht, ihr Cockney-Englisch zwei Stunden lang akzentfrei durchzustehen und andere Ungenauigkeiten in der Schilderung einer mittleren Unterschicht zu entdecken, die Woody Allen wohl so wenig im Blut hat wie die beiden Brüder die Filme Ingmar Bergmans oder die Romane Fjodor Dostojewskis im Kopf. Hohe Präzision beweist Allen dafür in der Ausbreitung des sich entgegen gesetzten Verhaltens der zwei Brüder vor und nach vollbrachter Tat, in der Wiederholung des fast immer gleichen Gesprächs zwischen dem Pragmatiker, für den jedes Mittel gerechtfertigt ist, wenn es nur dem Erreichen seiner Ziele dient, und dem Melancholiker, den seine Schuld mehr und mehr verfinstert. In diesem dialogischen Hin und Her stellt sich bei allem Todernst eine subtile Heiterkeit ein, die eine gewisse Langfädigkeit vergessen lässt, die auch "Cassandra's" kriminalistische Grundierung nicht übertüncht. Richtig spannend ist definitiv anders, lustig sowieso. Aber eine Pointe ist drin in Woody Allens letztem Londoner Film (sein nächster wurde bereits in Barcelona, der übernächste wird wieder New York abgedreht): "Cassandra's Dream" lässt sich auch als Seitenhieb gegen das übertriebene Hochhalten von familiären Blutsbanden lesen. So was immerhin gab's nicht in "Match Point".

19.01.2017

3

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Kommentare

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cineast2001

vor 16 Jahren

Wieder und wieder erfreut uns Woody Allen mit seinen jährlichen Filmen. ein Filmjahr ohne einen Film von ihm ist nicht aus zu denken.

Der Produzent-, Drehbuch-, Regie- und Darsteller -Tausendsassa gibt sich dieses Jahr die ehre als Regisseur!

Obgleich es sich hierbei um eine Adaption von "Schuld und Sühne" geht Woody Allen mit seinen Regieeinfällen und Charakterstudien routiniert ans Werk und liefert einen handwerklich guten Film ab!

Die Schauspieler Farrell/McGregor spielen die ihnen gegebenen Rollen gut und hauchen ihren Charakteren Leben ein.

Der übrige Cast ist u. a. mit Tom Wilkinson, Clare Higgins und Ashley Madekwe sehr gut besetzt.
Grundsätzlich glaubt man den Schauspielern ihre Rolle. Diese Fähigkeit ist heutzutage leider 90% der Schauspieler abhanden gekommen.

Fazit: Für jeden Woody Allen- Fan ist dieser Film "A MUST SEE", obgleich es nicht der stärkste Films des "Statdtneurotikers" ist. Wer einen so genialen Film wie "Match Point" oder "Scoop" erwartet könnte etwas enttäuscht werden. Sehenswert ist dieser Film allemal!


Achtung: Hierbei handelt es sich nur um meine Meinung für die ich keine Gewähr(aber eine Flinte!) übernehme und die Haftung ausschließe!
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kroete

vor 16 Jahren

Besonders schön fand ich, dass klar wird, Woody Allen lässt sich ein auf neues. Er ist nicht auf seiner alt bewährten Linie festgerostet. Sicher nicht sein bester Film, aber durchaus sehenswert.


300

vor 16 Jahren

Dieser Film steht und fällt mit den Hauptdarstellern, in diesem Fall Ewan McGregor und Colin Farrell. Die in diesem Film top Schauspielleistung erbringen. Sonst wäre der Film nie so gut geworden, den die Geschichte ist schon gut aber nicht gut genug für einen Woody Allen Film. Zum Glück haben es die Hauptdarsteller Wieder wett gemacht.Mehr anzeigen


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