Der rote Elvis Deutschland 2007

Filmkritik

Genosse Rockstar - ein Revoluzzer von trauriger Gestalt

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Dean Reed war eine historische Anomalie: Ein geradewegs dem Bravo-Starschnitt entstiegener strahlender Sangesheld im Cowboygewande, der sich aus der Weite des wilden Westens freiwillig in die Enge der Deutschen Demokratischen Republik begab.

Der Beginn dieser wunderbaren Freundschaft liegt in einem doppelten Missverständnis - Dean Reed hielt die DDR für die Heimat der Weltrevolution, die DDR ihrerseits hielt den dauerlächelnden Selbstdarsteller für einen internationalen Superstar.

Reed starb 1986 im Zeuthener See am Rand von Ost-Berlin. Ein Tod, der Raum für Spekulationen lässt - und so plant auch der Westen mittlerweile Dean Reeds mythologische Wiedereinbürgerung, sogar in ganz großem Stil: Tom Hanks hat sich die Rechte am Leben des Ausnahmeamerikaners gesichert und plant seit 2001 sein Regiedebüt unter dem Titel "Comrade Rockstar". Renate Blum, Reeds letzte Ehefrau, hat einen Exklusivvertrag mit Hanks und fehlt darum leider in Leopold Grüns Dokumentation als elementar wichtige Gesprächspartnerin.

Die erste Ehefrau, um derentwillen Reed sich für eine dauerhafte Existenz in der DDR entschied, kommt allerdings zu Wort, außerdem - Reed ein notorischer Womanizer - seine langjährige Geliebte und zum Teil skurril anmutende internationale Verehrerinnen. Skurril aus heutiger Sicht, denn Reed hatte weder eine außergewöhnliche Stimme noch besonderes Schauspieltalent und scheint aus der Ferne betrachtet bisweilen zu Recht in Vergessenheit geraten und allenfalls als Treppenwitz der Geschichte interessant.

Wie ernst, ambivalent und auch anrührend dieses im Nachhinein betrachtet allzu leicht als großes "Kasperltheater eines Revolutionsposterboys" abzutuende politische Engagement Reeds wirklich war, belegt der Film durch viele historische Aufnahmen von Reed in Chile, mit Arafat im palästinensischen Terroristencamp und bei politischen Solidaritätskonzerten. Die Tochter Salvador Allendes, aber auch Kritiker aus den USA kommen zu Wort und Weggefährten wie Armin Mueller-Stahl und Regisseur Günter Reisch berichten über die Verknüpfung von Werk und Wirken im Kontext von Revolution und realsozialistischem Alltags.

Auch sehr private Momente zeigt Leopold Grüns Blick ins Archivmaterial, nicht umsonst war die Super-8-Kamera im filmaffinen Umfeld Deans ein ständiger Begleiter. Bisweilen sehr naiv bei aller Sehnsucht nach Gerechtigkeit erscheint da der sonst so souveräne Star, im privaten weniger rücksichtsvoll und friedliebend als politisch proklamiert und bei allem Heimweh gesegnet mit der Gabe der Verdrängung der realsozialistischen Gegenwart. Leicht zu instrumentalisieren war so jemand und Egon Krenz schildert in eindrücklicher Beiläufigkeit, wie das praktisch funktionierte mit Pop und Propaganda.

Bei aller Relevanz der politischen Aspekte, bei aller Privatheit der Eindrücke und trotz beeindruckender Mengen an Archivmaterial fehlt leider letztlich ein authentischer roter Faden im Film, eine Dramaturgie jenseits der biographischen Chronologie. Dadurch bleibt die Rezeption seltsam oberflächlich und das Mitleid mit dem am Ende zusehends verzweifelten und verlachten Reed bekommt einen komischen Beigeschmack.

09.08.2007

3

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil