Der andere Argentinien, Frankreich, Deutschland 2007 – 83min.

Filmkritik

Lizenz zum Ehebruch

Filmkritik: Eduard Ulrich

Was Millionen Menschen im Zeitalter des Webs in den programmierten Welten ausleben, probiert ein argentinischer Rechtsanwalt in der Realität: Er schlüpft nacheinander in verschiedene Identitäten.

Den Schauspieler Julio Chávez könnte man für einen Vertreter der schweigenden Minderheit halten, denn seine Rollenwahl fiel bisher auf Figuren, die nachdenken und handeln, aber in drei Filmen weniger sagen als der Durchschnitt in einem Satz. "Hierzulande" verkörperte er bereits in "El custodio", "Extraño" und "Un oso rojo" den schweigsamen, menschenscheuen Einzelgänger und auch als Hauptdarsteller in Ariel Rotters unaufwendig gedrehter Einmannschau folgt er diesem Muster.

Juan Desouza ist ein verheirateter Rechtsanwalt aus Buenos Aires, was ihn aber nicht davon abhält, bei der nächstbesten Gelegenheit, einer beruflich bedingten Reise in eine entfernte Provinzstadt, buchstäblich aus der Rolle zu fallen, indem er sich nacheinander als Architekt und Arzt ausgibt. Da er an den verschiedenen Hotelrezeptionen nur die Nummer seiner Identitätskarte nennen muss, kann er tatsächlich mit einer falschen Identität auftreten. Konsequent lässt er sich bei einer animalischen Begegnung mit einer schönen Frau eine Familie mit zwei Kindern andichten und nennt auch brav zwei erfundene Namen. Ist schon das Leben in dieser Kleinstadt völlig anders als in Buenos Aires, so entfernt er sich auf einem Nachtspaziergang und anschliessendem Schlafen unter freiem Himmel bewusst von der Zivilisation. Damit schafft er einen grossen Gegensatz zu seinem sonst geordneten und reglementierten Grossstadtberufsleben.

Der Regisseur gibt sich Mühe, diesen Rollenwechsel realitätsnah erscheinen zu lassen, was ihm im Gegensatz zu "The Talented Mr Ripley" und "Vertigo" ganz gut gelingt, weil es nicht zu Kontakten mit ehemaligen Bekannten kommt, es fehlt aber im Gegensatz zu den genannten Beispielen die Plausibilität der Motivation für diesen Identitätswechsel. Auch sind die gewählten Berufe ebenfalls akademische wie sein tatsächlicher, womit sie nicht die maximal mögliche Bandbreite aufspannen.

Die Stärke des Films liegt in den temporären Stimmungen und in einer asketischen, dem Sujet angemessenen Inszenierung. Problematisch an der Besetzung der Hauptfigur ist vielleicht, dass an der Art des Agierens und am Mienenspiel keine Veränderung wahrzunehmen ist, obwohl diverse Erfahrungen in den angenommenen Identitäten eigentlich ihre Spuren hinterlassen müssten, denn eine Art Selbstprüfung ist wohl der unbewusste Antrieb für diese Exkursion.

03.04.2008

3

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