CH.FILM

Fuori dalle corde Italien, Schweiz 2007 – 89min.

Filmkritik

Die Faust im Nacken

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der arbeitslose Michele «Mike» Lo Russo wirdbei einem Boxkampf in Hamburg verschaukelt, kehrt in seine Heimat nach Triest zurück und sucht sein Glück bei dubiosen Box-Veranstaltern in Kroatien. Das düstere Boxer- und Sozialdrama des Tessiners Fulvio Bernasconi ist brutal und wirkt authentisch, auch dank der Leistung des Schauspielers Michele Venitucci, der in Locarno 2007 einen Goldenen Leoparden erhielt.

Er fühlt sich als Sieger und wird zum Verlierer erklärt. Der 30-jährige Michele «Mike» Lo Russo (Michele Venitucci) steht ohne Vertrag da. Er hat sein Glück als Profiboxer in Hamburg versucht und steht mit leeren Fäusten da. Notgedrungen kehrt Mike in die Heimatstadt Triest zurück. Seine Schwester Anna (Maya Sansa), die sich in einer Fischfabrik abschuftet und für seinen Unterhalt aufkommt, ist masslos enttäuscht. Er sollte beide aus dem Schlamassel, aus den sozialen Niederungen, herausboxen - und hat versagt.

Er nimmt das Herz in beide Fäuste und verdingt sich bei zwielichtigen Veranstaltern, die in Kroatien illegale Boxkämpfe veranstalten. Die Männer im Ring prügeln ungeschützt und hemmungslos aufeinander ein, bis einer blutig zu Boden geht. k.o.-Sieger ist, wer am Ende in diesen dunklen Nächten die Fäuste noch hoch kriegt. Mike freundet sich mit einem irren Kumpel (Juan Pablo Ogalde) an, der ihn aber immer tiefer in den kriminellen Sumpf zieht. Noch eine Ringschlacht, verspricht man Mike, dann erhält er einen Vertrag und einen «sauberen» Kampf in Deutschland. Mike muss gegen seinen Freund antreten. Nur einer kann überleben.

Das düstere Drama des Tessiners Fulvio Bernasconi erinnert in besten Momenten an Filme wie «Raging Bull» oder «Fight Club». «Fuori dalle Corde» schwelgt freilich nicht in Körperkult und ist alles andere denn ein Augenschmaus (Kamera: Filip Zumbrunn). In diesem Sinn signalisieren die Faustkämpfe in leeren Swimming Pools keine Hoffnung. Im Gegenteil: Sie erzählen die Geschichte vom Fall eines Fighters, seiner Verzweiflung und seinem Opfergang, Sie werden zum Ausdruck einer brutalen Welt.

Da nimmt einer sein Herz in beide Hände und endet auf dem Schlachtfeld der Verlierer, getrieben vom eigenen Ehrgeiz, vom schlechten Gewissen und von seiner Schwester, die ihren «Einsatz», ihre selbstlose Unterstützung einfordert. Das dumpfe Sozialdrama zeigt auch die perversen Schattenseiten einer Gesellschaft, die sich an Blut und Schmerz weidet und um Leben wettet. Bei den Faustkämpfen ohne Regeln jenseits der italienischen Grenze hetzt man Menschen wie Kampfhunde oder wie einst Gladiatoren in römischen Arenen aufeinander. Der Boxkampf als Überlebensmetapher wird in Fulvio Bernasconis drastischem Drama in seiner ganzen Brutalität und Perversion enthüllt und zur unmenschlichen Phrase. Dass der Film «ausserhalb des Rings» letztlich nur als höllischer Fight mit guten Absichten in Erinnerung bleibt, liegt an der etwas laschen (Fernseh-)Dramaturgie, die meistens vorführt und selten packt.

17.02.2024

4

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Kommentare

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albanoliver

vor 16 Jahren

Wenn man gerne brutale Filme ohne deutliche Aussage sieht, dann ist der Film nicht schlecht. Ansonsten fehlt im so einiges...


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