Geliebte Clara Frankreich, Deutschland, Ungarn 2008

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kiebitzamset

vor 15 Jahren

Ein beeindruckender Film. Das Kinopublikum bleibt nach dem Film noch still sitzen, benommen insbesondere von der emotionalen Wucht der letzten Szene, aber auch der Dichte des Films insgesamt. Martina Gedeck spielt überzeugend die besessene Pianistin, die zunächst die Werke ihres Mannes, dann des sie anhimmelnden Brahms berühmt machte. Klavier ist ihr Leben - selbst nach dem Selbstmordversuch ihres Mannes begibt sie sich ans Üben, um damit fertig zu werden, daß der Mann sie und ihre Kinderschar verlassen wollte. Geschmeichelt von den Avancen eines jungen, lebhaften Brahms, der nichts mit dem behäbigen Bild des "Papa Brahms" zu tun hat, hält sie ihrem Mann dennoch die Treue, und unterstützt ihn in seinem - vergeblichen - Bemühen, als Dirigent zu reüssieren. Vor allem aber zeigt der Film, daß Musik eine Sprache sein kann, in der Menschen miteinander reden - Johannes zu Clara, Robert zu Johannes, Clara zu Johannes.

Unverständlich ist Kyra Scheurers Kritik. Vielleicht verbaute das Studium der Drehbuch-Dramaturgie ohne Erfahrung mit der Realisierung eigener Werke die unvoreingenommene Betrachtung des Films. Robert Schumann wird "jeglicher Würde beraubt", ist unsympathisch? Pascal Greggory ist nicht der strahlende Liebhaber, den Grönemeyer gibt. Aber jemand, der Wahnvorstellungen hat, sich umbringen will, ist möglicherweise nicht der Kuschel-Romantiker, als den sich Scheurer ihn offenbar vorstellt. Es wird seinen Grund gehabt haben, daß Clara ihn während des gesamten Aufenthaltes in der Nervenklinik nur ein einziges Mal, kurz vor seinem Tod besucht hat (im Gegensatz übrigens zu Brahms, der ihn regelmäßig aufgesucht hat). Unsterbliche Liebe sieht anders aus. Pascal Greggory hat für seine Rolle Psychatrien aufgesucht, sich an zeitgenössischen Darstellungen der Nervenkranken orientiert. Psychische Erkrankung ist nicht schön anzusehen, aber sie als "würdelos" abzuqualifizieren, heißt, die Kranken zu verraten, und ihre Situation zu verleugnen. Im übrigen sei der Rezensentin das Quellenstudium empfohlen: Schumann hat sich während des Karnevals von einer Brücke in Düsseldorf gestürzt. Von "konstruiert" kann keine Rede sein.

Der Film ist musikalisch angelegt. Was Scheurer als "hyperexplizit" geißelt, ist konsequentes Stilmittel: Motive werden vorgestellt, variiert, durchgeführt. Die Bilder sind symbolisch, nicht realistisch. Das mag dem derzeitigen Trend entgegenlaufen, der selbst James Bond, der immer etwas Überrealistisches hatte, "Realismus" verordnet (so daß er zu einer Kreuzung von Bruce Willis und Matt Damon verkommt). Der Stil mag nicht den Geschmack von Scheurer treffen. Ärgerlich ist es jedoch, wenn ein Rezensent seine subjektive Vorliebe zum normativen Maßstab erhebt, ohne Respekt für das Werk und seine Autorin.

"Die Verwendung der Musik verstärkt den Hang zum Kitsch. " Hallo? Der Film handelt von der Apotheose der deutschen Romantik. Romantik! Schon mal gehört? Es geht nicht um Anton Weberns Miniaturen der Zwölftonmusik, sondern um die Musik, für die Gefühlspathos Programm war. Zwar muß niemand die Romantik lieben - dann sollte man aber auch nicht in einen Film gehen, der "Geliebte Clara" heißt, geschweige denn, darüber eine Rezension schreiben wollen.

"Eine seltsam gebaute Emanzipationsgeschichte... " - Fremdwörter sind Glückssache. "Emanzipation" bedeutete zunächst Entlassung in die Selbständigkeit, später Selbstbefreiung. In jedem Fall setzt es zunächst Unselbständigkeit voraus. Darum geht es in diesem Film überhaupt nicht. Der Film setzt ein mit Clara als gefeiertem Star auf Europas Bühnen, ihr Mann ist von ihren Konzerteinnahmen abhängig, und neidisch auf ihren Erfolg. Sie unterstützt ihn beruflich in Düsseldorf, während sie gleichzeitig den Haushalt am Laufen hält. Der Film zeigt eine starke Frau, die eigene berufliche Verwirklichung, gleichberechtigte Partnerschaft und Mutterrolle in Balance zu halten versucht, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Klingt modern? Dann ist es ein Film für unsere Zeit. Klingt nicht nach 19. Jahrhundert? Clara war eine Ausnahmeerscheinung, in der sich das heutige Publikum immer noch wiedererkennen kann.

"Kostümschmonzette" - ja, damit bezeichnet man Schamonis "Frühlingssinfonie" zutreffend. Wer ein beeindruckendes Portrait des deutschen Dreigestirns der Romantik sehen will, dem sei "Geliebte Clara" ans Herz gelegt.Mehr anzeigen


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