Nokan - Die Kunst des Ausklangs Japan 2008 – 130min.

Filmkritik

Zen in der Kunst der letzten Ölung

Filmkritik: Eduard Ulrich

Ob Hindu, Christ, ob Atheist, ob Jude, Moslem und Buddhist - am Ende sind wir alle Mist. In einem berührenden und schlüssigen Werk - es wurde 2009 mit dem Oscar ausgezeichnet - zeigt der japanische Regisseur Takita Yojiro, dass sogar nach dem Tod noch Wunden geheilt werden können, wenn es richtig angepackt wird.

Als sich Daigo auf das Stelleninserat eines Reisebüros bewirbt, ahnt er nicht, dass dies sein Leben mehr verändern wird als alles, was er bisher tat. Wenn er dann tatsächlich eine Art Reiseleiter wird, wie er mutmaßte, hat seine Aufgabe doch nichts mit dem üblichen Berufsbild gemein: Seine Kunden treten nämlich ihre letzte Reise an. Ein kleiner Schreibfehler in der Zeitung hatte aus Hinschied Abschied gemacht, und unversehens befindet er sich dem Chef eines Zweipersonenunternehmens gegenüber, welches Verstorbene im Beisein der Trauernden wäscht und schminkt, bevor sie eingesargt und abtransportiert werden.

Dieser Chef ist ein Original, und sein Darsteller erhielt zurecht den japanischen Filmpreis. Genauso schnell wie er Daigos Bewerbungsunterlagen unbesehen beiseite schlenzt, reicht er seine Hand zum Besiegeln des Arbeitsverhältnisses nach einem der kürzesten Vorstellungsgespräche der Filmgeschichte. Daigo kommt so nolens volens zum Job wie die Jungfrau zum Kinde, aber er reift an dieser Aufgabe, und bald schafft er es wohl zum ersten Mal in seiner jungen Ehe, seiner unkomplizierten, aber engagierten Frau Paroli zu bieten.

Selten wurde mit einer derart simplen Konstruktion soviel Wirkung erzielt. Daigo pendelt zwischen Ehe, Firma und den ritualisierten Verrichtungen, die gefühlt die Hälfte des Films bestreiten. Sie sind Emotionsskonzentratoren und Höhepunkte, Menschen in der Not der Trauer und der zwischenmenschlichen Spannungen stoßen dabei an ihre Grenzen. Häufiger als bei Hochzeiten kommen bei Abdankungsfeiern Personen zusammen, die sich nicht leiden können oder verfeindet sind. Manchmal können dann jahrelange Querelen bereinigt werden.

Diese Szenen weisen dokumentarische Qualität auf und sind dennoch voller Leben und teilweise voller Komik - ohne billige Effekte und ohne die Würde der Angehörigen zu verletzen. Da passt jedes Detail, die Schauspieler scheinen ihre Musikinstrumente wirklich zu beherrschen und sogar die Filmmusik musste ihre Akkorde auf den Klang des Schälchengongs einstimmen.

17.02.2021

5

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Kommentare

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genuwine

vor 14 Jahren

Dieses Film mit sein äußerst ungewöhnliches Thema ist ein Gluckfall und ein Muss für alle, die ein Blick in eine andere Welt hineinwerfen und durch die Schönheit der dargestellten Ritualen bezaubert werden möchten. Gerade jetzt zu Weihnachten -ein im Westen durch Überbetonung des Konsums mittlerweile vollig sinnentleertes Ritual- erinnernt dieser Film an den eigentlichen Sinn von Ritualen.Mehr anzeigen


arcenciel

vor 14 Jahren

Ein wunderschöner Film mit ausdrucksstarken Bildern.


keilerfiderjo

vor 14 Jahren

Ein Film von 2 1/2 Stunden der nie langweilig wird. Unglaubliche tiefe und ruhe durch den ganzen Film. Ein Meisterwerk.


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