CH.FILM

Der Freund Schweiz 2008 – 90min.

Filmkritik

Verflixt verliebt

Andrea Lüthi
Filmkritik: Andrea Lüthi

Die Drehbücher zu "Sternenberg" und "Little Girl Blue" stammen von Micha Lewinsky. Mit seinem ersten Langspielfilm "Der Freund" beweist der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor erneut, wie er sich aufs Erzählen von Geschichten versteht.Abend für Abend steht der schüchterne Emil (Philippe Graber) im Zürcher Club Helsinki und lauscht der traurig-schönen Stimme der Sängerin Larissa (gespielt von der Zürcher Songwriterin (Sophie Hunger). Larissa ignoriert ihn, aber eines Tages glaubt Emil nicht richtig zu hören: Seine Traumfrau bittet ihn, sich als ihren Freund auszugeben und verschwindet gleich darauf. Immer noch verwirrt, versucht Emil später Larissa auf dem Handy zu erreichen. Doch ihre Schwester Nora (Johanna Bantzer) ist dran und erklärt ihm, dass Larissa tot ist. Damit beginnt für Emil ein schwieriges Versteckspiel. Wie Larissa versprochen, gibt er sich vor ihrer Familie als ihr Freund aus. Aber unverhofft verliebt er sich in Nora, die zeitlebens hinter Larissa zurücktreten musste. Und ausserdem schwebt immer noch die Frage nach den Umständen des Todes im Raum. Lewinsky bringt in seinem flüssig erzählten Film eine seltene Mischung aus Tragik und Komik zustande. Oftmals geschehen komische Dinge, wenn die Stimmung am traurigsten ist. Vor allem aber gelingt dem Regisseur die Balance zwischen Weinen und Lachen, weil er für seine Figuren Verständnis hat und seien sie noch so verschroben wie Emil. Und er bringt die Zuschauer dazu, Emil ebenfalls zu mögen - etwa wenn er auf die simple Frage nach einer Zigarette erwidert: "Nein, ich rauche nicht. Aber ich wollte schon immer damit anfangen, vergesse es aber immer wieder." Für manche Zuschauer mag Emil auf der Kippe zur Nervensäge stehen. Doch wie er sich bemüht, über seinen eigenen Schatten zu springen, allen Mut zusammenkratzt, um Nora am Ende seine Liebe zu gestehen, weckt eben doch Sympathie. Sehr unterschiedlich ist die Zeichnung der Nebenfiguren: Emils Mutter etwa ist eine Spur zu sehr Prototyp - sie vereint in sich sämtliche Klischees, die man einer überbesorgten Mutter zuschreibt. Wohltuend ehrlich wirkt dagegen Johanna Bantzer als Nora. Und Larissa umgibt bis zum Schluss eine geheimnisvolle Aura. Dazu tragen nicht zuletzt die wunderbar melancholischen Songs bei, die von der Larissa-Darstellerin Sophie Hunger selber stammen. Und es liegt daran, dass Lewinsky seinen Figuren Privatsphäre lässt und sie nicht bis aufs Letzte entblösst. Zwar hätte man sich den Schluss durchaus auch ohne Larissas Brief vorstellen können - die Sängerin wäre noch unergründlicher geblieben. Doch sind diese klärenden Zeilen auch ein Zugeständnis an die Zuschauer, die nicht ohne Hoffnung zurückbleiben sollen. Auch wenn sie der Regisseur mit einem guten Gefühl aus dem Film entlassen will, so trägt er doch nicht zu dick auf mit einem ultimativen Happy-End. Vielmehr reicht es aus, dass Emil seine Gefühle formulieren kann - und darüber freut man sich mit ihm.

05.06.2024

4

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Kommentare

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1234jopy

vor 9 Jahren

Guter Schweizer Film.


hansi2000

vor 13 Jahren

Ein toller Film!


pfuteri

vor 16 Jahren

Ein toller Film, Chapeau. Gehört für mich in die Kategorie "Top 10 der Schweizer Film" der letzten 10 Jahre.
Zum einen weil der Film emotional berührt, die Schaupspieler excellent spielen und die Regie erstklassig ist. Für mich war es glänzende Unterhaltung mit Tiefgang.

Von wegen holprige Dialoge. Wie sieht es den im richtigen Leben aus? Bei so hochnotpeinlichen Situationen in denen sich hier die Figuren teils wiederfinden würde ich auch keinen druckfertigen Text von mir geben können. In Hollywood mag das ja so sein; -)

Und für die Abteilung massentauglich wende man sich bitte auch an andere Institutionen.Mehr anzeigen


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