CH.FILM

Kleiner Sonntag Schweiz 2008 – 69min.

Filmkritik

Multikulti F(l)ickwerk

Filmkritik: Eduard Ulrich

Der junge Zürcher Philipp Ramspeck hat in nur zwei Wochen mit nur drei Fachleuten einen Film gedreht, der Quartierkolorit mit fantastischen Elementen kombiniert. Bei der Premiere ist einigen im Publikum übel geworden, woran nicht nur die viele Wackelhandkamera schuld war.

Philipp Ramspeck hat kürzlich die Matur abgelegt und konnte sich endlich voll und ganz seiner Leidenschaft widmen: dem Film. Er hat sich offenbar sehr für sein Projekt eingesetzt, denn er konnte seine Pläne tatsächlich realisieren, und sein Film hat es bis zur Premierenvorstellung geschafft. Vielleicht ist dieser unbedingte Wille, das Ziel zu erreichen, ein Grund für einige problematische Aspekte.

Ramspeck fokussiert auf den Zürcher Kreis 3, der von eher weniger gut gestellten Personen und vielen Ausländern bewohnt und bevölkert wird. In einer losen Folge von Episoden, die nur selten Berührungspunkte aufweisen, charakterisiert er die Atmosphäre und das Lebensgefühl, indem er jeweils einige wenige Personen mit ihren Aktivitäten präsentiert. Bis auf einen professionellen Darsteller, der auch gleich zwei extreme Seiten einer Kunstfigur verkörpert, spielen sich die Laiendarsteller selbst, die Handlung wurde aber zusammen mit der Regie besprochen, Drehbuch gab's allerdings keines.

Die einzelnen Episoden sind also alles andere als zufällig, dennoch will sich kein überzeugender Gesamteindruck einstellen, denn die surrealistischen Einfälle schaffen Distanz zur eigentlichen Substanz, schwächen die Wirkung der ungefilterten, harten Realität ungewöhnlicher Figuren und randständiger Existenzen. Das Verständnis wird auch nicht durch die Tatsache erleichert, dass ein beträchtlicher Teil der ohnhin nicht üppigen Dialoge unübersetzt ist, wobei die zu hörenden asiatischen Sprachen dem breiten Publikum, sofern der Film dieses findet, nicht geläufig sein dürften.

Auch wenn der Film vor der Publikumspremiere am Filmstock Festival gezeigt wurde, so scheint es, dass die geringe Produktionszeit und das kleine Budget massive Spuren hinterließen und es nur wenige neutrale Augen gab, die dem Regisseur einen guten Rat geben oder mit Kritik die ärgsten Stolpersteine aus dem Weg räumen konnten. Wenn man dem Film also einen hochexperimentellen Charakter attestieren muss, so bezieht sich das nicht auf die Expansion filmischer Mittel und ästhetischer Kriterien, sondern auf den Entwicklungsstand von Werk und Regie. Von einer Talentprobe zu sprechen, wär hochgegriffen; besser wär es meiner Meinung nach gewesen, wenn sich Herr Ramspeck selbst noch ein paar Jahre Reifezeit gegönnt hätte, statt sich mit einem nicht wirklich fertigen Produkt an die Öffentlichkeit zu wagen.

16.04.2024

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