Regen Argentinien 2008 – 110min.

Filmkritik

Auto- und Gefühlsstau im verregneten Buenos Aires

Filmkritik: Eduard Ulrich

In Argentinien gelten andere Spielregeln: Schon lang wurde in einem Film nicht mehr so oft und so prominent geraucht. Immerhin muss man keine Angst vor dem Passivrauchen haben, doch der Blick auf zwei attraktive Figuren, die scheinbar anfangen einander kennenzulernen, bleibt vernebelt.

Gerade hat sich die etwa 30-jährige Alma mit einigen Artikeln des täglichen Bedarfs eingedeckt und ist vor dem strömenden Regen wieder in ihr Auto geflüchtet, da steckt sie schon im Stau fest. Buenos Aires ist ähnlich wie Manila und wohl einige andere Megapolis für seine gigantischen Staus bekannt - ein tagelanger Dauerregen ist dagegen selten. Mit dieser Kombination verlässt die 40jährige argentinische Regisseuse Paula Hernández in ihrem zweiten Spielfilm den Pfad der Konvention und wird ihn auch bis zum Ende des Films nicht mehr betreten.

Als Alma kurz darauf Roberto begegnet, ist das der Anfang einer Phase des gegenseitigen Abtastens und Ergründens, auf die sich beide im Wissen um die fehlende Perspektive einlassen, legt ihnen doch schon ihre eigene Lebenssituation Fesseln an - da müssen sie die Lebenssituation des Gegenübers noch nicht einmal kennen. Passend zur realistischen Inszenierung, die weder Traumsequenzen noch abstruse Wendungen bemüht, liegt dem merkwürdigen Verhalten der Protagonisten jeweils eine überzeugende Ursache zu Grunde.

Die gesamte Zeit knabbern sie also an ihrem eigenen Problem, wodurch ihr Blick und ihre Gefühle beschränkt, teilweise blockiert sind. Wie mit angezogener Handbremse kommen sie sich näher und entfernen sich wieder voneinander. Wie der Stau von Zeit zu Zeit ein Fortkommen erlaubt und sich manchmal auflöst, so scheinen die beiden im Leben zu stecken. Sie bieten einander eine Projektions- oder Reflexionsfläche, mit deren Hilfe sie ihren inneren Schmerz verarbeiten und vielleicht sogar bewältigen können. Dieses Innenleben zu präsentieren, kann leicht plakativ oder plump wirken.

Paula Hernández scheint genau das Risiko bewusst umschifft zu haben, weil sie einige Chancen zu effektvollen Bildern explizit nicht nutzt, sondern die seelische Not und Orientierungslosigkeit lieber mit ungewöhnlichen Kamerablickwinkeln und -fokussierungen visualiert, ohne dass es penetrant oder gekünstelt wirkt. Die phänomenale Tonspur dient dem Zweck ebenfalls ausgezeichnet, das Geschehen in den Köpfen nach außen zu transportieren. Ihr zurückhaltender, indirekter Ansatz bringt es allerdings mit sich, dass der emotionale Schwung auf der Strecke bleibt. Da die Figuren ihr Geheimnis lang bewahren, fällt es schwer, sich mit ihnen zu identifizeren oder richtig mitzufühlen.

02.06.2009

3

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Kommentare

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Dom Mendo

vor 13 Jahren

sicher kein schlechter Film, zeitweise packend. Am Schluss fehlt eben das was wir von den Meisterwerken gewohnt sind.


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