Nomad's Land - Sur les traces de Nicolas Bouvier Schweiz 2008 – 90min.
Filmkritik
Die Ergehung der Welt
Alles andere als ein Roadmovie: Der junge Walliser Dokumentarfilmer Gaël Métroz reist auf den Spuren des Genfer Reiseschriftstellers Nicolas Bouvier in den Orient - und sucht sich bald seinen eigenen Weg.
Leicht lässt es sich an, ansatzweise gesprächig. Gaël Métroz macht Halt bei Nicolas Bouviers Witwe, lässt sich zum Abschied ein paar Weisheiten in den Koffer packen und hält die Videokamera aus dem Fenster, kaum rollt sein Zug Richtung Orient. Über sein Gepäck wird der junge Filmemacher aus dem Wallis später sagen, es habe erst das richtige Gewicht gehabt, als es ihm in der Wüste Pakistans zur Hälfte gestohlen worden war.
Die Kamera kam Métroz glücklicherweise nicht abhanden, den Humor - der Scherz mit dem Gepäck bleibt der einzige - hat er vorsorglich zu Hause gelassen. Praktisch ist auch, dass man Bouviers "Die Erfahrung der Welt", mit einiger Verzögerung zum Klassiker der Reiseliteratur geworden, nicht gelesen haben muss, um Nomad's Land ohne schlechtes Gewissen folgen zu können. Métroz, der zunächst im Sinne hatte, sich präzise "auf den Spuren von Nicolas Bouvier" zu bewegen, sucht sich schon ab Täbris seine eigene Route; das ist jene persische Stadt, in der Bouvier sich mit seinem malenden Freund Thierry Vernet im Jahre 1952 gleich zu Beginn seiner Reise durch einen Winter gefroren hatte, bevor die beiden sich im Staube der Landstrassen Afghanistans, Pakistans und Indiens nach Sri Lanka verloren.
Bouviers Erzählen - wenigstens das frühe - vibriert vom Sound fremder Geselligkeit. An fast jeder Ecke riecht es nach exotischer Kulinarik. Auf jeder zweiten Seite spielt die Volksmusik zum Tanz auf. Zuverlässig schnurrt der Motor des legendären Topolinos. In Nomad's Land ist es deutlich stiller. Tiefsinniger. Existenzieller. Poetischer. Täbris will zu Métroz "nicht gesprochen haben". Métroz fährt kein Auto, meidet Strassen, Städte, sogar Dörfer. Er schreitet ins Off, geht einen Schritt weiter als sein Vorbild, sucht sich zwischen Kamelhöckern, auf Yakrücken oder auf Zehenspitzen seinen Weg - vorzugsweise da, wo keiner mehr vorhanden zu sein scheint.
Métroz findet Freunde unter den Nomaden im Iran und Pamir, in Pakistan und Indien, schläft wochenlang in ihren Zelten, hütet ihre Herden und begehrt heimlich ihre Töchter, die ihm nie mehr als ein paar Augenblicke schenken dürfen - buchstäblich. Immerhin gehören sie zu den schönsten vieler wunderbarer Nah- und Nächstaufnahmen unbekannter Welten, in denen Métroz aufgeht, um nicht zu sagen: sich auflöst. Weniger zu sehen ist leider von den zu vermutenden banalen Schwierigkeiten seines Alltags. Die werden nur angedeutet; am heitersten in einer Szene, in der eine uralte Frau vergeblich versucht, Métroz' Vornamen auszusprechen.
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