Revanche Österreich 2008 – 121min.

Filmkritik

Schuld und Sühne

Kyra Scheurer
Filmkritik: Kyra Scheurer

Götz Spielmanns formal wie inhaltlich konsequentes Drama kontrastiert gekonnt Milieus, Kulturen, Landschaften und Haltungen und lässt in bisweilen bedrohlich sanftem Erzählfluss vier Protagonisten unausweichlich aufeinander zusteuern.

Susanne (Ursula Strauss) hofft auf ein Kind und pflegt ihre Ehe mit dem Polizisten Robert (Andreas Lust) - rund ums Eigenheim saftige Wiesen und angenehme Stille. In Wien bestimmt grauer Beton das Leben von Ex-Knacki Alex (Johannes Krisch), der mit der osteuropäischen Hure Tamara (Irina Potapenko) in ein neues Leben starten will. Als Alex seinen Großvater in der Provinz besucht, entsteht die rettende Idee: 80.000 Euro sollten in der Provinzbank zu holen sein, genug für eine Bar auf Ibiza. Alex schreitet zur Tat, doch dann kommt Robert hinzu. Der unerfahrene Provinzpolizist schießt, trifft - und für alle vier ist nichts wie zuvor.

Götz Spielmanns Variante des universellen Themas "Schuld und Sühne" ist zugleich Liebesgeschichte, psychologische Studie und Kriminaldrama. Das Markante liegt im Erzählton: Punktgenaue Beobachtungen verbunden mit entschiedener Unsentimentalität kreieren völlig organisch und unangestrengt eine hohe atmosphärische Dichte.

Im Zentrum stehen glaubwürdige Charaktere mit erstaunlich authentischer Dialogsprache. Auch die Einführungen der Figuren wird im ebenfalls von Spielmann verantworteten Drehbuch gut gelöst: Die Nutte und der Fahrer, eigentlich klassische Klischeefiguren, werden nicht über ihre Rolle im Milieu, sondern als Paar im Alltagsumfeld vorgestellt. Das verzögerte, wie unterschwellig lauernde, sehr körperliche Spiel des Hauptdarstellers Johannes Kirsch vermeidet unnötige Schnörkel und trägt den Film über kleine Längen mühelos hinweg.

Auch visuell ist dieses bestechend fotografierte Werk gelungen umgesetzt: Schon das Anfangsbild legt eine sanft beunruhigende Fährte. Ein Wald spiegelt sich in der ruhigen Oberfläche eines Sees, die Statik wird jäh durchbrochen von einem hineinfallenden Objekt, das kreisförmige Wellen verursacht. Viel später erst dringt der Zuschauer ins Zentrum dieses Bildes ein und erfährt, wer was warum ins Wasser geworfen hat.

In vielen Aspekten der visuellen Gestaltung und der Erschaffung einer spezifischen psychologischen Spannung knüpft der Filmemacher an die Tradition seines Landsmanns Michael Haneke an. Doch bei Götz Spielmann muss der Zuschauer weniger Leidensfähigkeit mitbringen: «Revanche» transportiert seinen existenzialistischen Horror deutlich sanfter als Hanekes Werke und legt dieser harten, aber letztlich hoffnungsvollen Studie menschlichen Miteinanders eine optimistischere Erzählhaltung zugrunde.

22.02.2012

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 12 Jahren

Doch mit ziemlich vielem, meiner Meinung nach, Unnötigem aufgeplusterte Story. Aber immerhin ist die Stimmung ziemlich authentisch.


Klaus1108

vor 15 Jahren

Wunderschöne Bilder, auch Abgründiges, kein Wort zuviel und spannend bis zum Schluss.


aschau9

vor 15 Jahren

Einer der besten österreischen Filme der letzten Jahrzehnte. Völlig autentisch wiedergegeben und bestens recherchiert.


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