The Man Who Loved Yngve Norwegen 2008 – 90min.

Filmkritik

Verliebt in die provinziellen 80er

Sonja Eismann
Filmkritik: Sonja Eismann

1989 fällt in Berlin die Mauer, und im norwegischen Stavanger ist ein rothaariger Teenager zwischen seinen Punkerfreunden und einem Poppeboy hin- und hergerissen. Unentschlossene Romanverfilmung, die ein bisschen zu sehr in die Erinnerung an End-80er-Provinzsubkultur verliebt ist.

Ganz am Anfang stellt der Hauptdarsteller die ironische Distanz zum Film her: inmitten einer Schulklasse von ausgewachsenen Teenagern, die mit ihrem Lehrer auf einem Schulausflug irgendwo in der norwegischen Pampa herumlungern, wendet sich der rothaarige Jarle Klepp ans Publikum und nölt in die Kamera, dass es damals ja noch gar nichts gegeben hätte, weder Internet, iPods noch sonst irgendwas. Wer sich jetzt auf einen Retro-Look-verliebten Ausstattungsfilm einstellt, liegt gar nicht so falsch - ungewöhnlich ist allerdings die Epoche.

Das Jahr ist 1989, die Berliner Mauer fällt, und der 17-jährige Rotschopf Jarle ist im verschnarchten Stavanger gerade auf dem Weg, von einem Versager zu einem der Coolen der Schule aufzusteigen. Die notwendigen Accessoires dafür hat er sich innerhalb weniger Monate zugelegt: Er kennt coole Bands wie The Jesus & Mary Chain, hat mit seinem neuen Buddy Helge die Punkcombo Matthias Rust Band gegründet, und es zudem geschafft, die gut aussehende Katrine zu seiner Freundin zu machen. Doch als ein neuer Mitschüler in Jarles Klasse kommt, gerät seine schöne neue Identität ins Wanken. Yngve hört Synthpop, spielt Tennis und scheint ein merkwürdiger Träumer zu sein. Doch Jarle kann nicht aufhören, an ihn zu denken.

Vor dem etwas penetrant inszenierten Hintergrund der fallenden Mauer, die als Metapher für alle möglichen privaten Umbrüche herhalten muss, führt der Spielfilm-Debütant Stian Kristiansen in seiner Verfilmung von Tore Renbergs Roman die altbekannten Gegensätze zwischen Punks und Poppern als Antagonismus zwischen heterosexuellen Macker- und queeren Welten auf, ohne sich dabei konsequent zu positionieren.

Und so lässt einen der Film ein wenig ratlos zurück, welche Geschichte hier eigentlich erzählt werden soll: handelt es sich um die End-80er-Jahre-Subkultur-Nostalgie eines Regisseurs, der die dargestellte Zeit in Stavanger selbst als Teenager miterlebt hat, soll ein Coming-Out- oder doch eher ein Coming-of-Age-Drama erzählt werden, oder geht es um den bei den Entronnenen so beliebten Topos der Provinzjugend-Schicksale? Man weiß es nicht, und bleibt letztendlich unschlüssig bis unzufrieden zurück. Immerhin hat der Film eine der schönsten, brutalsten Liebesgeständnis-Szenen zu bieten, die man je gesehen hat.

25.09.2008

3

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Kommentare

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subotnik

vor 16 Jahren

Wunderbar gemacht, cooler Soundtrack, hat mich total an meine Jugendzeit in den späten 80er Jahren erinnert. Ein witziger Film über die Liebe, mit all ihren Tücken und Verrücktheiten, mit Einblick in ein Norwegen der bunten Strickpullis und Wollsocken. Dramatischer Höhepunkt: Für die heterosexuelle Umwelt wir Hass geschrien, wo das Herz Liebensschwüre flüstert. Hingehen und sehen, unbedingt!Mehr anzeigen


willhart

vor 16 Jahren

wunderbare, einfühlsame realistische
geschichte über das sich finden, das coming out.


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