The Wrestler Frankreich, USA 2008 – 110min.

Filmkritik

Von Wunden und Wundern

Benedikt Eppenberger
Filmkritik: Benedikt Eppenberger

Wrestling ist die Sportart, die eigentlich keine Sportart ist, weil jede Bewegung einem Drehbuch folgt und nichts dem Zufall überlassen wird. Dass Mickey Rourke ausgerechnet als alternder Profi-Wrestler eine Performance gelingt, die so wahrhaftig und echt ist, dass es einem die Tränen in die Augen treibt, ist nur eine der Überraschungen von Darren Aronofskys «The Wrestler».

Mickey Rourke spielt Randy «The Ram» Robinson, einen Profi-Wrestler, der zwar seine beste Zeit längst hinter sich hat, vom Kämpfen aber nicht lassen kann. Er lebt allein in einem schäbigen Wohnwagen und arbeitet, um seinen Wrestling-Lohn aufzubessern, an den Wochenenden als Paketschlepper im lokalen Supermarkt. Als Randy während eines Kampfes einen Herzinfarkt erleidet, muss er ins Spital. Hier kriegt er einen Bypass und den Rat, vom Kloppen künftig die Finger zu lassen.

Ohne Schaukampf-Zirkus, Kumpels und Publikum spürt «The Ram» die Einsamkeit, wie sie durch die Ritzen in seine windschiefe Behausung kriecht. Deshalb sucht er die Nähe zur alternden Stripperin Cassidy (Marisa Tomei), mit der er sich eine Beziehung durchaus vorstellen kann. Doch diese will nichts, das über professionelle Nettigkeiten hinausgeht. Tochter Stephanie (Evan Rachel Wood) schliesslich hat wenig übrig für ihren Erzeuger, der sie jahrelang vernachlässigte und jetzt, von Einsamkeit getrieben, plötzlich seine väterlichen Gefühle entdeckt.

Die Karriere Darren Aronofskys, der mit seinen Erstlingsfilmen «Pi» und «Requiem for a Dream» zum bejubelten Wunderkind aufstieg, dann mit dem Eso-Quark «The Fountain» einen Totalabsturz erlitt, hat unbestreitbar Ähnlichkeiten mit jener Mickey Rourkes. Der galt in den 1980er-Jahren als neuer Robert De Niro. Sein Auftritt mit Joghurt-Fellatio und Strawberry-Fuck in «9 1/2 Weeks» machte ihn zum weltweit bekanntesten Sexworker; danach arbeitete er sich zielgenau in den Abgrund.

Mit einigen Profikämpfen als Boxer ruinierte er seine Visage dergestalt, dass ihn die Schönheitschirurgie nur noch als "Elephant Man" wiederherstellen konnte. Es wurde still um den einstmals angesagten Hollywood-Mimen. Der Zufall wollte es dann, dass sich mit Aronofsky und Rourke zwei fanden, die man eigentlich schon abgeschrieben hatte. Ein gutes Drehbuch, die eigene Erfahrung mit Niederlagen sowie die Fähigkeit, die Manierismen früherer Filme zu vermeiden führten dazu, dass den beiden mit «The Wrestler» ein wunderbar schnörkelloses Comeback gelungen ist, die Rourke gar eine Oscar-Nomination einbrachte.

17.02.2024

5

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Kommentare

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the one

vor 11 Jahren

Ein sehr ruhiger Film. Nichts für Actionliebhaber. Sehr gute 'Biografie' über einen alternden Westler.


movie world filip

vor 13 Jahren

unerwartet starke rourke... normalerweise habe ich es nicht so mit wrestling aber aronofsky bringt es sehr stilvoll hier. schöne bilder, gut erzält


Gelöschter Nutzer

vor 15 Jahren

Muss sicherlich vorab festhalten, dass ich kein allzugrosser Fan
dieser (vermeintlichen) Sportart bin.

Doch ist die Geschichte und die eher geschlossene Welt von
Randy „The Ram“ Robinson (Mickey Rourke) deswegen nicht gleich
uninteressant für die Wrestling-Uninteressierten. Bestimmt nicht.

Und ja, Mickey Rourke liefert mit diesem Film wirklich eine
Glanzleistung an schauspielerischem Können ab. Könnte es damit
in Verbindung gebracht werden, dass gewisse Parallitäten zu
Randy „The Ram“ Robinson und Michey Rourke bestehen?

Auf eine eindrückliche oder eher bedrückende Art und Weise wird
dargestellt, wie ein gebrochener Mann die zweite Chance seines
Lebens verpasst.

Und zwar zu Gunsten des Wrestling-Sports.

Tragisch, menschlich.

The Wrestler: wie man eine zweite Chance im Leben verpassen kann.Mehr anzeigen


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