Der Freischütz Deutschland, Schweiz 2010 – 137min.
Filmkritik
Schwarze Magie und dramatische Lethargie
Wenn ein ausgewiesener Theaterfachmann mit operninszenatorischer Erfahrung zur Kamera greift, um die beliebteste Oper der deutschen Romantik zu verfilmen, darf man gespannt sein. Jens Neubert ist ein Könner, aber die hohen Erwartungen kann auch er nicht erfüllen, was nicht zuletzt am Chimärencharakter des Opernfilms liegt.
Eigentlich wäre Oper im Kino so ähnlich wie Theater im Kino und damit eine schöne Sache. Die Erfahrung lehrt leider, dass eine Oper im Kino entweder schlecht aussieht oder schlecht klingt oder beides. Das mag daran liegen, dass die dynamischen Gesetze des Films einer anderen Formel gehorchen als diejenigen der Oper, wo die Musik Tempo und Rhythmus mit eiserner Hand diktiert. Die Konsequenz wäre, sich im Bildrhythmus von der Musik abzukoppeln und damit eine weitere Ebene, abseits der Bühnenhandlung, einzuführen wie es Kenneth Branagh in seiner Zauberflötenadaption vormachte. Von Webers Werk leidet zudem noch an dem Handicap, dass der mystische Stoff um Schuss- und Eheglück gar weit weg vom heutigen Leben liegt, als dass man sich eine moderne Fassung vorstellen könnte.
Regisseur und Drehbuchautor Jens Neubert trat also mit seiner naturalistischen Version die Flucht nach vorne an und präsentiert einen veritablen Historienschinken. Einzig in der gruseligen Wolfsschluchtszene brennt er mit moderner Kinotricktechnik ein sinn- und hilfloses Feuerwerk ab, ohne eine Brücke vom damaligen Glauben an Schwarze Magie zur modernen Industriegesellschaft zu schlagen. Sonst riskiert die Regie wenig und damit fast alles: Man bekommt schön vorgeführt, wie langsam eine Opernhandlung voranschreitet, weil es eben doch ziemlich lang dauert, wenn etwas in einer Arie mit den typischen Wiederholungen gesagt wird. Dabei hat man ausgiebig Gelegenheit, den Sängern und Sängerinnen beim Singen zuzuschauen, weil Regisseur und Kameramann offenbar der Ansicht waren, dies sei Ereignis genug.
Stimmlich muss man ihnen recht geben: Da singen durchs Band Kräfte erster Wahl, die es sogar fertigbringen, dass man beinah alles versteht - in der Oper keine Selbstverständlichkeit! Weniger geglückt ist der Klang des Orchesters: oft eine satte Klangsauce, als ob es nie etwas von historisierender Musizierweise gehört hätte. Manchmal klingen die Violinen aber auch unangenehm spitz, was an der Aufnahmetechnik liegen könnte. Der Chor dagegen ist eine Schau (auch klanglich). Insgesamt also eine respektable Sache, die wenig Grund liefert, sich zu ärgern, höchstens einen, sich manchmal ein bisschen zu langweilen.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung