Männer al dente Italien 2010 – 113min.

Filmkritik

Warme Töne, heisser Süden

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Familientradition und der gute Ruf sind die zentralen Werte im Leben der süditalienischen Familie Catone. Das Coming-Out des ältesten Sohnes wird hier nicht toleriert. Der türkischstämmige Italiener Ferzan Özpetek deckt in seiner warmherzigen Familienkomödie aber noch ganz andere familiäre Zwänge und Vertuschungsmanöver auf.

Während Antonio (Alessandro Preziosi) im apulischen Lecce die Pastafabrik der Familie leitet, studiert sein jüngerer Bruder Tommaso (Riccardo Scamarcio) offiziell in Rom Betriebswirtschaft. In Wirklichkeit versucht sich Tommaso aber als Schriftsteller und lebt zudem mit einem Arzt zusammen. Weil ihn das Versteckspiel aber zunehmend belastet, erklärt er seinem Bruder, dass er beim anstehenden Familienfest reinen Tisch machen werde.

Antonio kommt Tommaso allerdings zuvor und outet sich selbst vor versammelter Familie als schwul. Zuerst hält man das für ein gelungenes Scherzchen, doch als Antonio darauf beharrt, wandelt sich die Stimmung rasch und der dominante Vater (Ennio Fantastichini) verstösst den Sohn. Der Schock sitzt beim Familienoberhaupt so tief, dass er kurz darauf einen Herzinfarkt erleidet. Weil er noch so eine Meldung wohl nicht überleben würde, hält sich Tommaso zurück und lässt sich sogar dazu drängen, in der Firma die Rolle des Verstossenen zu übernehmen.

Durch die Augen Tommasos lässt Ferzan Özpetek das Publikum hinter die Fassade der Catones blicken. Nach aussen wird heile Welt gespielt, doch innen kriselt's an allen Ecken und Enden: Der scheinbar so moralische Papa tröstet sich mit einer Geliebten, die Mama leidet still, die Tante gibt sich seit einer unglücklichen Liebe dem Alkohol hin, und die Grossmutter trauert einem im Jugendalter verpassten Liebesglück nach. Die Turbulenzen nehmen noch zu, als Tommasos Freunde eintreffen, die in diesem Kreis ihre Homosexualität verbergen müssen.

Familiäre Zwänge, die im konservativen Süditalien stärker ausgeprägt sind, lässt Özpetek auf das Freiheits- und Glücksstreben des Individuums treffen. Dabei ist "Mine vaganti" nicht zu einer Abrechnung mit der Familie geworden, sondern zeigt - ohne eine der Figuren zu verurteilen - warmherzig und feinfühlig das labile Geflecht "Familie", in der jederzeit die Titel gebenden Treibminen hochgehen können. Die Inszenierung ist zwar konventionell, exzellent ist aber das Darsteller-Ensemble, das mit der pittoresken Kulisse, lockerer Musik und warmen Brauntönen für gelöste Sommerstimmung sorgt. Etwas mehr Ecken und Kanten sowie eine bissigere Gangart hätten sicher nicht geschadet, aber für zwei Stunden beste Unterhaltung ist allemal gesorgt.

18.02.2024

4

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Kommentare

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hawk8050

vor 14 Jahren

der film bleibt an der oberfläche, zu wenig tiefgang


isabel1984

vor 14 Jahren

Wunderschöne Familiengeschichte! Diesen Film muss man im Orginal gesehen haben!


freigut

vor 14 Jahren

Es ist ein typischer Özpetek-Film: eine melancholisch-humorvolle Ode ans Leben in all seinen Facetten. Vielleicht nicht sein bester - in der Mitte hängt der Film etwas durch -, aber immer noch besser als das meiste, von sonst so auf die Leinwand kommt.


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