Eine ganz heisse Nummer Deutschland 2011 – 95min.

Filmkritik

Telefonsex in der katholischen Provinz

Walter Gasperi
Filmkritik: Walter Gasperi

Der kleine Lebensmittelladen dreier Frauen kann sich gegen die Konkurrenz der Supermärkte kaum halten. Um eine Schliessung zu verhindern, muss dringend Geld her. Im Telefonsex entdecken die Damen eine lukrative Einnahmequelle, doch im erzkatholischen Bayrischen Wald darf niemand vom Zweitjob der biederen Mitbürgerinnen erfahren.

Idyllisch mag die Landschaft des Bayrischen Waldes anmuten, doch Globalisierung und Wirtschaftskrise treiben auch hier Betriebe in den Ruin. Die Glashütte von Marienzell wurde schon geschlossen, die Kunden des örtlichen Lebensmittelladens kann man an den Fingern einer Hand abzählen: Sind die Produkte im nächsten Supermarkt ein paar Cent billiger, kaufen auch Mitbürger und Nachbarn lieber dort ein. Da überrascht es nicht, dass bald ein Banker (Andreas Lust) vor der Tür steht, der die Kündigung des Kredits mitteilt. So ohne weiteres aufgeben, wollen die drei Damen, die das Geschäft leiten, aber nicht. Die zündende Idee hat schliesslich Maria. Weil sie schon mehrfach irrtümlich Sex-Anrufe erhielt, schlägt sie ihren Kolleginnen vor, doch selbst in diese lukrative Branche einzusteigen.

Erste Ablehnung weicht rasch einer Erkundung des neues Berufsfelds. Vor dem Herrgottswinkel studiert man bei Tee Sexzeitschriften und einschlägige Romane, im nahen Regensburg beschafft man sich im Erotikshop Infomaterial und diverse Utensilien und mit heimlich verteilten Flugzetteln macht man auf das neue Angebot aufmerksam. Aller Anfang ist zwar schwer, doch ein Schnaps vertreibt die Schüchternheit und bald rollt der Euro für die "süsse Maya", die "Französin Sarah" und "Lolita". Jede der drei Damen bietet einen speziellen Service und hat auch spezielle Kunden. Wer sich hinter den "Künstlernamen" verbirgt, sollte im beschaulich-konservativen Dorf freilich niemand erfahren. Doch der plötzliche Reichtum und das neu gewonnene Selbstbewusstsein rufen rasch Neider auf den Plan.

Markus Goller beweist beim Blick auf das katholische Milieu und der Zeichnung der erdigen und in ihrer Natürlichkeit glaubwürdigen Figuren viel Gespür. Vorzüglich eingebettet ist die Handlung in dieses Umfeld, genüsslich und treffsicher werden das angeblich unzüchtige Gewerbe und der Katholizismus einander gegenüber gestellt. Goller mag sich von den britischen Calendar Girls oder von Bettina Oberlis Herbstzeitlosen zu seinem Feelgood-Movie inspiriert haben lassen, Eine ganz heisse Nummer bewahrt sich gleichwohl seine Eigenständigkeit. Witz und Sozialkritik fliessen hier bruchlos ineinander und die Lust und die Liebe, mit der diese Komödie sichtlich gemacht wurde, wirken ansteckend und lässen den Zuschauer etwas gelöster und mit einem Schmunzeln das Kino verlassen.

18.02.2024

4

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Kommentare

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ariman

vor 12 Jahren

Sorry, wenn "Die Herbstzeitlosen" hier als Vorbild gedient haben, dann ist das Unternehmen aber gründlich missraten. Mehr als billiger Klamauk ist das hier nicht.


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