Hanezu no zuki Japan 2011 – 91min.

Filmkritik

Der Götter Not, der Menschen Tod

Filmkritik: Eduard Ulrich

Ins Zentrum einer Dreiecksbeziehung stellt Naomi Kawase eine etwa 35-jährige kinderlose Frau, die mit einem Mann zusammenlebt, aber eine intensive Parallelbeziehung pflegt. Die drei leben im selben Dorf, ihr ereignisarmer Alltag wird in makellosen Bildern gezeigt, die nichts von der latenten Spannung verraten. Motive und Emotionen werden über eine mythologische und eine historische Relation ins Spiel gebracht, die Figuren selbst agieren verhalten. Das sorgfältig inszenierte Drama ist ein handwerklicher Genuss.

Naomi Kawase konnte mit Dokumentar- und Spielfilmen an Wettbewerben Erfolge feiern, den Weg zum Massenpublikum hat sie anscheinend nie gesucht und wird ihn auch mit diesem feinen Werk nicht finden, das trotz des erotischen Themas ohne Bett- und Eifersuchtszenen auskommt. Sie stellt das aktuelle gesellschaftliche Problem Japans der beziehungs- und kinderlosen Generation dem Problem des Beziehungswettbewerbs früherer Generationen gegenüber. Diesen Wettstreit der Männer um die Frauen dehnt sie auf mythologische Dimensionen aus, indem sie ab und zu aus einer einschlägigen Götterlegende zitiert, die sie eindrucksvollen Naturaufnahmen unterlegt. Auch wenn der Beziehungsverlust ein Massenphänomen ist, so kann er doch für einzelne existenzielle Bedeutung gewinnen und so den Vergleich mit den gigantischen Kämpfen der Sagen rechtfertigen.

Kayoko färbt Stoffe mit einer althergebrachten, manuell aufwendigen Technik, ihr Wohn- und wahrscheinlich Lebenspartner Tatsuya ist Werber, widmet sich aber in jeder freien Minute dem Kochen. Kayokos Geliebter schnitzt Kunstwerke aus Holz und lebt im selben Dorf etwas außerhalb im Grünen. Private Kontakte über das halbtransparente Beziehungsdreieck hinaus scheinen die drei nicht zu pflegen, und auch das Dorfleben fließt ruhig dahin. Ideale Voraussetzungen, sich ganz der persönlichen Befindlichkeit und den Partnern zu widmen. Eine einschneidende, beziehungsgetriebene Änderung zwingt alle Beteiligten, Farbe zu bekennen, und entwickelt sich zur Triebfeder unkontrolierbarer Fliehkräfte.

Genau da ist die Kamera in ihrem Element, die besonders Freude an Bewegung findet und kaum eine Fahrrad- oder Pritschenwagenfahrt ausschlägt, sich am Boden kugelt und gern die Erzgewinnung aus der Froschperspektive beobachtet. Das Bild wackelt zwar nicht immer, aber immer ist es in Bewegung. Da will die Tonspur nicht hintanstehen, und es fällt wohl schwer, den ersten Preis zu vergeben: Dort plätschert, rauscht, tropft, knirscht, raschelt und tost es, dass man manchmal die Augen schließen möchte, um sich dem Klangrausch hinzugeben.

15.08.2012

4

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