Mientras duermes Spanien 2011 – 101min.
Filmkritik
Ein Scheusal spielt Schicksal
In Jaume Balaguerós noch nicht umfangreichem Werk spielt das Genre des Horror-Films die Hauptrolle, aber manchmal ist er gnädig und dreht nur einen Thriller. Für das unabgehärtete Publikum ist das allerdings immer noch happige Kost, die der einen oder anderen schwer- bis unverdaulich aufstoßen wird. Die hohe handwerkliche Qualität von Regie und Kamera lässt indes niemanden entrinnen, sobald die Vorführung begonnen hat. Schade nur, dass das Drehbuch zwei Klassen tiefer spielt.
Wer diesen Film besucht, nimmt an einem Experiment teil - mit sich selbst als Versuchskaninchen: Wie gefesselt klebt man im Kinosessel, starrt gebannt auf die Leinwand und fühlt sich wie unter Drogen, die den eigenen Willen gebrochen haben. Da schluckt man vieles, was bei Lichte besehen weder glaubwürdig noch plausibel erscheint. So zeigt sich aber die Qualität von Regie und Kamera, die eine absurde Geschichte voller unmöglicher Vorgänge und eine psychologisch flache Hauptfigur - von den Nebenfiguren reden wir gar nicht erst - derart fulminant inszenieren und famos filmen, dass viele wohl bis zum bitteren Ende dranbleiben.
Dabei gelingt es Balagueró, eine zunächst wegen ihrer scheinbaren Armseligkeit bemitleidenswerte Figur alle Sympathien verspielen zu lassen, und dennoch in einigen haarsträubenden Szenen die Hoffnung des Publikums umzuverteilen. Das ist erstaunlich, denn die Schauspieler sind zwar ernsthaft bei der Sache, aber Hauptdarsteller Luis Tosar lässt nicht erkennen, dass sein César eine dämonische Ader besitzt und sie auch auslebt.
Dieser César arbeitet als Concierge in einem prächtigen Madrider Mietshaus. Er hat die Schlüssel zu allen Wohnungen und einen unerklärbaren, permanenten Missmut, der über seine Missgunst gegenüber vom Schicksal offenkundig besser Bedachten zu einem perversen Drang mutierte, die Glücklichen ins Unglück zu stürzen. Die Konstruktion, Einfall mag man das nicht nennen, lässt César regelmäßig seine wachkomatöse Mutter besuchen und beschwatzen, stülpt so zwar den inneren Monolog nach außen, gewinnt aber nichts, weil seine Worte keine Substanz besitzen.
So sieht man ihm zwar fasziniert bei seinem zerstörerischen Wirken zu, rätselt aber immerzu, warum er diese Mühen auf sich nimmt. Rätselhaft ist auch das Verhalten der Betroffenen und die Kenntnisse des Drehbuchautors über psychologische und physiologische Zusammenhänge. Schade um die viele Kunst, die an den schwer goutierbaren Inhalt verschwendet wurde.
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