Adieu Berthe Frankreich 2012 – 100min.
Filmkritik
Abschied von einer alten Dame mit Esprit
Apotheker Armand will sich von seiner bezaubernden Frau trennen, weil er eine Geliebte hat. Doch eben jetzt ist seine Oma verstorben und soll würdig verabschiedet werden. Das zwischenmenschliche Dilemma ist die Basis für eine versöhnliche Tragikomödie des französischen Regisseurs und Schauspielers Bruno Podalydès.
Armand (Denis Podalydès) würde man auf den ersten Blick nicht als Schürzenjäger orten. Doch er hat es faustdick hinter den Ohren. Die resolute Geliebte (Valérie Lemercier) kann kaum von ihm lassen. Und sogar die betrogene Ehefrau (Isabelle Candelier) will ihn trotz allem behalten. Das machte die Liebessache kompliziert.
Besonders jetzt, da die Abdankung für Oma Berthe ansteht, einer liebenswerten alten Dame mit Esprit. Armand schwebt eine entspannte Feier vor, derweil die nervige Schwiegermutter auf trendigen Pomp setzt, der ein kleines Vermögen kostet. Und prompt ist Armand neben allem anderen noch in einen makabren Konkurrenzkampf verstrickt, bei dem sich zwei Bestattungsunternehmer die Kundschaft abjagen.
Familientrauer hat im Kino der Franzosen Tradition. Schliesslich ergeben sich aus Todesfällen oft spannende Geschichten, in denen die ganze zwischenmenschliche Gefühlspalette der Hinterbliebenen abgedeckt wird. Salopp gesagt: Tritt jemand die letzte Reise an, menschelt es gewaltig. Adieu, Berthe ist also eine Mischung aus morbider Slapstick-Komik und poetischem Episoden-Potpourri mit Zügen ins Märchenhafte. Das passt. Armand ist als Hobbymagier seelenverwandt mit der verblichenen Berthe, die ihr Leben lang der unerfüllten Liebe zu einem Zauberer nachsinnierte.
Einen der Bestatter spielt Regisseur Bruno Podalydès übrigens selber. Und die Hauptrolle des Armand verkörpert sein Bruder mit Bravour. Adieu, Berthe hat einige Qualitäten und wenn man filmische Vergleiche bemühen will, dann kommen einem Werke von Jacques Tati oder Woody Allen in den Sinn. Auch dort werden Schwächen scharfsinnig, schalkhaft, wohlwollend und mit Schwung abgehandelt. Doch genau da hapert es bei Podalydès leider: Adieu Berthe ist zu langatmig geraten und verliert deshalb einiges von der Magie, die einem über weite Strecken entzückt.
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Kommentare
Familienunternehmen sind nur dann besonders gut, wenn sie überdurchschnittlich gut sind. Das mag vielleicht für Familie Podalydès gelten, aber nicht fürs Drehbuch, dass die beiden Brüder Bruno und Denis verbrochen haben. Dabei könnte die Ausgangssituation durchaus Basis für unterhaltsame Späße sein: Apotheker Armand (Denis) hat eine Frau Hélène (Isabelle Candelier) und eine Freundin Alix (Valérie Lemercier), die sich auffallend ähneln! Jetzt stirbt seine Oma und das Leben geht weiter. Bis auf die Beerdigungsvorbereitungen.
Anfangs sind die Gags noch amüsant (z.B. digitale Sargauswahl). Aber in dem Maße, in dem sich Dialog und Bild trennen, verflacht das Ganze allerdings zusehends. Das gilt nicht für den dementen Vater (Pierre Arditi), der so voll daneben ist, dass er schon wieder lustig bleibt. Auch die neuen Urnenformen zum Verwechseln ähnlich mit Trinkflaschen, kommen ins Fach ganz passabel, wo auch die knappste Form der Beschreibung eines Sterbens hingehört: ‘Piff, Paff‘ oder ‘Zack‘ und ‘Weg‘.
Nette Szenen wie z.B. wenn die Oldies kontemplativ auf einer Bank im Park sitzen und das Leben beobachten. Das sich auf eine Maus setzen und sie mit dem Allerwertesten zerdrücken ist schon gewöhnungsbedürftig. Dann ist die Luft plötzlich raus: nichtssagende Radtour von Armand und Hélène, Bunter Abend im Altenheim mit Gesangseinlage. Plötzlich verselbstständigt sich Armands Jugendtraum: Entfesselungskünstler im Varieté. Der Letzte Rest von französischer Leichtigkeit wechselt zur Oberflächlichkeit und Zufälligkeit. Man verfährt nach dem Motto ‘Wenn du nicht mehr weiterweißt, kommt wer daher mit so ‘nem Schtuss…‘ Und da hat Pierre Arditi das letzte Wort ‘So was Doofes!‘ Stimmt!… Mehr anzeigen
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