Gangs of Wasseypur II Indien 2012 – 320min.

Filmkritik

Gangster-Saga im «Paten»-Stil

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Das zweiteilige Monumentalepos des Inders Anurag Kashyap dauert über fünf Stunden und hat Shakespeare'sche Ausmasse. Das wilde Fresko spannt sich über drei Generationen und schildert den mörderischen Kampf zweier Clans in der indischen Region um Wasseypur.

Es scheint, als habe Bollywood sich mit Francis Ford Coppolas The Godfather vermählt: Die indische Gangsterode Gangs of Wasseypur beschreibt mit grossem Atem die gnadenlos mörderische Auseinandersetzung zweier mafiöser Clans in der Bergwerksregion von Wasseypur und Dhanbad, heute eine Stadt mit über eine Million Einwohnern im Bundesstaat Jharkhand. Hier gehören Clan-Kämpfe, Meuchelmorde, Raubzüge und Bluttaten seit Jahrzehnten zum Alltag.

Das Drama beginnt mit Raubzügen auf Kohlezügen in der Zeit britischer Kolonialherrschaft. Shahid, der Anführer des Khan-Clans, wird in eine Falle gelockt; sein Sohn Sardar schwört, den Tod seines Vater an der Sippe von Ramadhir Singh zu rächen. Dieser Rachezug zieht sich wie ein roter Faden durch das Gangster-Drama, das sich von 1941 bis 2009 erstreckt. Auch Sardar Khan stirbt eines gewaltsamen Todes, sein Sohn Faisal Khan übernimmt das Zepter. Ständig bekifft, entpuppt der scheinbare Softie sich als brutaler Rächer, durchtriebener Taktiker und Unternehmer.

In diesem Krieg mischt mit Sultan ein dritter Gangster mit, er und seine Gang verbünden sich mit den Singhs. In der männermordenden Welt spielen Frauen nur Nebenrollen - als Mütter, Geliebte oder Verbündete. Es gibt eine strategische Heirat, die Rache einer Zweitfrau Sardar Khans, die ihren Sohn gegen seinen Vater hetzt. Faizal weitet seinen Machteinfluss auch wirtschaftlich aus, will mit Gewalt gewählt werden. Eine Art Waffenstillstand ist trügerisch, denn auch der Killer Sultan ist auf Rachezug. Die brtutale Saga mündet in einem Gewaltakt: Zwei Aussenseiter des Clans scheinen sich gefunden und sorgen für eine blutige «Säuberung».

Als Zuschauer fällt es einem anfangs nicht leicht, sich in diesem Monumentaldrama zurecht zu finden. Wer kämpft gegen wen, wer ist mit wem verbandelt? Erst allmählich gewinnen die Position und Gestalten Kontur. Die 45-Millionen-Dollar-Produktion sprengt mit einer Spieldauer von 350 Minuten, diversen Stilelementen, 340 Schauspielern und Schauspielerinnen fast alle denkbaren Grenzen. Gangs of Wasseypur ist ein Fresko, das eine gewisse Verwandtschaft mit den Gewaltstücken eines Quentin Tarantino hat. Es widerspiegelt aber auch soziale Verhältnisse, Traditionen, Polizei- und Politmachenschaften und zeichnet ein drastisches Bild der indischen Gesellschaft, kruder sozialer Gegensätze und alltäglichen Gewalt. Keine Traumwelt, sondern ein massloses, mörderisches Fresko. Godfather ist ein netter glamouröser Gangster-Gesellschaftsfilm daneben.

01.10.2013

4

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