Im Nebel Weissrussland, Deutschland, Lettland, Niederlande, Russische Föderation 2012 – 128min.
Filmkritik
Schuld und Sühne
Der russische Regisseur Sergej Loznitsa kommt aus dem Dokumentarfilmfach, wechselte 2010 jedoch mit dem viel beachteten My Joy zum Spielfilm. Für sein neues Werk, das vom Atem des schwermütigen russischen Kinos der 80er Jahre durchdrungen ist, hat er sich eines Romans von Vasili Bykov angenommen.
1942: An der sowjetischen Westfront wird ein Zug zum Entgleisen gebracht. Die Wehrmacht verhaftet mehrere Saboteure, aber auch den unschuldigen Sushenya, der einfach nur in der Nähe wohnt. Er hat Glück, die Nazis erkennen seine Unschuld und lassen ihn laufen. Doch damit zieht er das Misstrauen seiner Landsleute auf sich. Partisanen halten ihn für einen Kollaborateur und verschleppen ihn. Im Wald soll er hingerichtet werden, doch dann werden seine Häscher bei einem Scharmützel verwundet. Plötzlich sitzen sie alle im selben Boot, warten und reden über etwas, das es im Krieg nur selten gibt: Moral.
Schuld und Sühne ist eines der grossen Themen des russischen Kino der Sowjetzeit. Es musste auf Symbolismus setzen, um frei erzählen zu können und die Zensoren nicht auf den Plan zu rufen. Loznitsa ist mit dieser Art Film aufgewachsen, sie hat ihn geprägt – als Mensch, aber auch als Filmemacher. Das merkt man In the Fog an, der Großes sein will, sich aber im eigenen Kleinklein verfängt. Loznitsa erzählt auf sehr minimalistische Art und Weise, wird damit aber der Vorlage nicht gerecht. Wo dort die Frage nach der Moral prägnant gestellt wird, gerät dies bei Loznitsa zur quälend langsamen Erzählung, die sich in schönen Breitwandbildern suhlt, ohne sie mit Tiefgang füllen zu können. Loznitsa ergeht sich in den Manierismen des Arthouse-Kinos, opfert dafür aber die Zugänglichkeit zu seinem Stoff.
Er zeigt Krieg als etwas, das man so im Kino normalerweise nicht sieht. Hauptsächlich besteht er aus dem Warten drauf, dass etwas passiert. Genauso verhält es sich mit dem Film selbst, der auch wie die Ruhe vor dem Sturm erscheint - nur, dass der Sturm niemals kommt, auch wenn man argumentieren könnte, dass das von vornherein feststehende Schicksal der Protagonisten der konsequente Abschluss dieser Art von Geschichte sein muss.
In the Fog ist nach My Joy eine herbe Enttäuschung. Loznitsa erzählt bieder und ohne Esprit eine moralische Geschichte, die theoretisch zwar durchaus interessant ist, in der Umsetzung aber daran scheitert, dass sie das Interesse des Publikums schon auf halber Strecke verliert. Zu quälend langsam, zu bedeutungsschwanger kontemplativ wird hier erzählt. Das ist Kunst um der Kunst willen, aber innerlich tot.
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