Nachtexpress Schweiz 2012 – 91min.
Filmkritik
Talk und Tändeleien
Eine Handvoll Begegnungen: Eine Schweizer Jassrunde mit Deutschen, Aktionen zweier Arbeitsloser, Psychostress, Beziehungständeleien, Clinch und Crashes. In seinem Erstling versucht sich Alex E. Kleinberger als Szenefilmer mit Spielfilm-Ambitionen.
Von Curry-Wurst ist freilich im "Calypso-Grill" im Niederdorf nicht die Rede, obwohl es dort eine der besten dieser Würste in Zürich gibt. Mit etwas Glück begegnet man hier Beat Schlatter. Patrick Frey und Jürg Randegger streiten sich anderswo beim Jassen mit Deutschen. Zwei Arbeitslose "versemmeln" einen Überfall, ein Wirt schiesst einen rassistischen Jugo an und Schweizer sitzen Konflikte aus.
Fremdenfeindlichkeit und Gefühlsarmut, Beziehungsfrust und -lust. Das Model Melanie Mobétie hat ihre liebe (schauspielerische) Not mit Mathis Künzler als Yuppie. Man neckt, schreckt und findet sich. Menschen begegnen sich, sprechen, streiten, lamentieren, quasseln, doktern beim Psychiater und haben Beziehungsstress. Mal mit dem Partner oder der Partnerin, mal mit Mitbürgern und mit Fremdem sowieso. Aber ein bisschen Liebe ist auch dabei. Die Schauplätze wechseln wie die Tageszeiten - zwischen Paradeplatz, Niederdorf und Langstrasse. Das regt niemanden wirklich an oder auf.
Ein Überfall wäre "huregeil", meint ein arbeitsloser Twen. "Aber keine Tankstelle", meint der andere "das ist was für Jugos." Regisseur Alex E. Kleinberger reiht Szenen aneinander und lässt auch mal die Kamera durch und über die Metropole an der Limmat rasen. Schauspieler sagen ihre Texte auf, und Frauen setzen sich in Szene. Laien machen manche Szenen erträglicher zwischen Stammtisch und Fastfood-Bude. Kleinberger hat einen Traum realisiert - gegen alle Widerstände.
Mit knapp 100'000 Franken - kein Förderfranken weit und breit - hat er seinen Nachtexpress aufgegleist. Dass es sich nicht um einen Luxuszug, sondern um schlichte Waggons handelt, merkt man dem Szenestreifen schnell an. Das könnte seinen Reiz haben, doch das Sammelsurium von Klischees, Stammtischvoten und -mentalität mit dem Hang zur Völkersöhnung zwischen Deutschen und Schweizern wirkt trügerisch und inszeniert. Trotz Originalen und Originalschauplätzen bleibt das "Volksstück" fad. Vor allem dürfte der gut gemeinte Streifen ausserhalb des Grossraums Zürich nur wenige in die Kinosessel locken.
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