No! Chile, Frankreich, USA 2012 – 110min.
Filmkritik
Die Werbung in Zeiten der Cholera
Und Werbung kann doch die Welt retten: Als 1988 der chilenische Diktator ein Referendum über die Fortsetzung seiner Schreckensherrschaft durchführen lässt, schlägt die große Stunde eines cleveren Kampagnen-Spezies. Hervorragendes lateinamerikanisches Polit-Kino mit Gael García Bernal in der Hauptrolle.
Wie heißt es so schön auf Postkarten, die an den Küchenwänden von überzeugten Sozialisten rund um den Globus hängen: "Nichts ist mächtiger, als eine Idee zur richtigen Zeit." Für die meisten Menschen in Chile ist dieser Moment im Frühling 1988 gekommen, es fehlt nur noch die zündende Idee. Seit dem Militärputsch von 1973 führt Präsident und Oberbefehlshaber Augusto Pinochet das südamerikanische Land mit eiserner Hand. Tausende Oppositionelle und ehemalige Anhänger des sozialistischen Ex-Präsidenten Salvador Allende wurden über die Jahre gefoltert und misshandelt, die meisten sind "verschwunden".
Heute gilt als verbrieft, dass man ihre Leichname in der Atacama-Wüste im Norden des Landes verscharrt hat oder sie bei lebendigem Leibe aus Flugzeugen über dem Pazifik abwarf. Nun also die große Chance: Auf internationalen Druck lässt Diktator Pinochet 1988 ein Referendum über die Fortführung seiner Präsidentschaft durchführen.
Ein Mann soll die traumatisierte Nation aus dem Alptraum wecken: der junge Werbe-Experte René Saavedra (Gael García Bernal). Der hat in seiner Karriere bislang nur Limonade unters Volk gebracht, doch seine Ideen für die "No"-Kampagne schmecken den Oppositionellen genauso gut. Während der Werbefeldzug immer größere Ausmaße annimmt, wird René allmählich bewusst, mit wem er sich angelegt hat.
Auch wenn Regisseur Pablo Larraín bislang nur ausgewiesenen Experten des lateinamerikanischen Films von Begriff ist – mit No beschließt der Chilene die Trilogie über die Zeit der Militärdiktatur in seiner Heimat. Waren die Dramen Tony Manero und Post Mortem noch deprimierende Bestandsaufnahmen von psychologischer Härte, die den militärischen Terror in seinen perfidesten Arten beschrieb, wirkt No wie ein großes Aufatmen, wie ein erlösendes und streckenweise humorvolles Drama, dass trotzdem seine Momente der Karthasis hat.
Das Feelgood-Moment des Films wird vor allem durch den Umstand suggeriert, dass man hier eine Nation dabei beobachten kann, wie sie aus dem dunkelsten Schatten ihrer Geschichte tritt. Dass die Filmcrew dabei ausschließlich mit Handkamera und damals zeitgenössischen, analogen Umatic-Kameras drehte, gibt dem Werk eine charmante Optik, die man wohl authentischen Retro-Look nennen könnte, wobei mit "Retro" ja immer das rückwärts Gedachte gemeint ist.
In diesem Fall handelt es sich aber um einen herrlich stimmungsvollen Film, der mit den Mitteln der 80er-Jahre realisiert wurde. Er kommt zum richtigen Zeitpunkt: Dieses Jahr im September jährt sich der Militärputsch und Pinochets Bombardement auf Allendes Präsidentenpalast zum 40. Mal.
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Kommentare
Interessante Geschichtsaufbereitung, der hin und wieder aber etwas mehr Dynamik gut getan hätte. Auch der Gimmick mit dem 80er Videoformat ist für den Zuschauer nicht nur ein Vergnügen, aber schien den Filmemachern wohl notwendig, um die Originalaufnahmen fliessend mit den Filmaufnahmen zu verweben.… Mehr anzeigen
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