CH.FILM

Opération Libertad Frankreich, Portugal, Schweiz 2012 – 90min.

Filmkritik

Das System lässt auflaufen

Filmkritik: Andrea Wildt

In seinem neuen Film fiktionalisiert der Genfer Filmemacher Nicolas Wadimoff einen unsichtbaren Punkt in der Geschichte der Schweiz: linksradikaler Terrorismus.

Politisch betrachtet denkt man bei der Schweiz zuerst vielleicht an direkte Demokratie und eine Aussenpolitik der Guten Dienste, aber eher nicht an linksradikalen Terrorismus. Etwas weiter gefasst kommt aber schnell der Gedanke an das Bankgeheimnis hinzu und damit wären wir bei der Brisanz von Operation Libertad.

Hierzu erzählt Wadimoff die Geschichte von fünf Freunden, die Ende der 1970er-Jahre ihren Frust über die Machtverhältnisse in der Gesellschaft auch praktisch ausleben wollen. Ein Überfall einer zwielichtigen Geldübergabe in der Grossbank SBG (die heutige UBS) soll aufrütteln, soll ihren Traum von einer besseren Gesellschaft effektvoll an das unwissende Volk vermitteln. Hierzu wird der Philosophie Guy Debords zur Gesellschaft als Spektakel folgend ein Chronist benötigt. So findet Hugues, ein Kunststudent mit Videokamera, zu der Gruppe.

Zu Beginn des Films: heute. Hugues, nun gut situierter Bürger, visioniert die damaligen Ereignisse auf den hinterbliebenen Videokassetten. Sein Voice-Over kontextualisiert die Ereignisse und fügt eine reflexive Sicht aus der Gegenwart dazu. Das ist die Stärke des Films: sein Spiel mit den Ebenen, zeitlich und ästhetisch. Die Story läuft aufs Absehbare hinaus. Durchsetzt von lautstarken Schiessübungen, zeitaktuellen Reflexionen, freier Liebe und Partys mit edler Punkmusik streift sie Klischees der Epoche, ohne sie zu bedienen. Am Ende: Der Staat schweigt, keine einzige Nachricht über die Attacke und anstelle der Revolution übernehmen die persönlichen Konflikte zwischen den Freidenkern die Überhand, dabei sollte doch alles so politisch clean bleiben. Wadimoff erlaubt sich auch einen humorvollen Blick und setzt den Fokus auf die Menschen, jung und voller Träume.

Ästhetisch lebt Operation Libertad die geforderte Grenzenlosigkeit seiner Protagonisten. Die suggerierten Home-Movie-Aufnahmen von Hugues wechseln nahtlos zwischen subjektiven Kamerabewegungen eines Suchenden und stilvoll inszenierten Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen ab. Perspektiven aus der Überwachungskamera, Wechsel zu Schwarz-Weiss-Bildern ergänzen die Vielfalt der Blickweisen auf das Geschehen. Auch die Frage, ob die Ereignisse auf Fakten basieren, imaginär sind, lässt Wadimoff absichtlich unbeantwortet. Das politisch bedeutsame Statement des Films ist es auszusprechen; sichtbar zu machen, was unsichtbar bleibt: die Verantwortung der Schweiz bei Kriegen und Korruption durch die Aufrechterhaltung des Bankkundengeheimnisses.

07.05.2024

4

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Kommentare

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ramsay

vor 12 Jahren

zeitverschwendung


lia123

vor 12 Jahren

Gut gemachter Schweizer Film, der in den 70er Jahren spielt. Mit Schauspielern, die einen Filmbesuch wert sind und einem Drehbuch, das spannend ist. Samir ist der Produzent und das spricht für sich. Nicolas Wadimoff hat Lob verdient.


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