CH.FILM

Die Schwarzen Brüder Deutschland, Schweiz 2013 – 98min.

Filmkritik

Der Verdingbub im Kamin

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Jugendbuch-Klassiker von Lisa Tetzner und Kurt Held erzählt vom Schicksal Tessiner Buben, die im 19. Jahrhundert aus Not von ihren Eltern verschachert wurden und in Mailand die Drecksarbeit der Kaminfeger verrichten mussten. Oscarpreisträger Xavier Koller hat das Sozialdrama kinogerecht verfilmt.

In den Tessiner Tälern herrscht Armut, Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts. Je grösser die Familie, desto ärger duie Lebensnot. Wenn dann ein wichtiges Familienmitglied ausfällt und ärztliche Hilfe benötigt wird, ist die Existenz massiv bedroht. Und so geschieht es: Die Mutter (Sabine Timoteo) bricht sich den Fuss, der Arzt aber kostet. So entschliesst sich der Vater (Leonardo Nigro), seinen Sohn Giorgio (Fynn Henkel) an den Händler Antonio Luini (Moritz Bleibtreu) zu verkaufen. Der "Mann mit der Narbe" sammelt Buben aus verarmten Tälern am Lago Maggiore und zahlt den Eltern einen Batzen. Er bringt diese "Verdingbuben" nach Mailand. Nur dumm, dass sein Schiff auf dem Lago Maggiore im Sturm kentert.

Luini bietet den Rest des Trüppchens auf dem Mailänder Markt bei Kaminfegern feil. Giorgio kommt zu Meister Rossi (Waldemar Kobus), der es eigentlich gut meint, aber unter der Knute seiner Frau ist. Die Jungkaminfeger kriechen verrusste Kamine zum Fegen hoch und werden von ihren Meistern drangsaliert - eine Tortur. So ergeht es auch Giorgios Freund Alfredo (Oliver Ewy). Aber der weiss sich zu helfen und gründet den Bund der "Schwarzen Brüder". Gemeinsam kann man nun auch einer Quartierbande namens «Wölfe» die Stirn bieten. Giorgio schliesst sich an. Dass er dann das Herz der Tochter seines Meisters gewinnt, bereichert die Solidargemeinschaft. Der gute Pater Roberto (Richy Müller) hilft den Buben zur Flucht. Doch das geht nicht ohne Verluste.

Literaturverfilmungen haben es an sich, dass sie gegen grosse Erwartungen des Leserpublikums kämpfen. Bei Harry Potter oder Lord of the Rings hat das glänzend funktioniert. Xavier Koller und seine Drehbuchautoren haben sich entschieden, sich vor allem auf die Geschichte Giorgios zu konzentrieren; man hat deswegen einige dramaturgische Eingriffe vorgenommen, etwa einen Pfarrer statt eines Arztes zum Helfer der "Schwarzen Brüder" gemacht. Das wird Leser enttäuschen, macht aber Sinn.

Als Schauplätze wählte Koller das Tessin und Südtirol. Er wollte keinen "historischen Film" liefern, sondern "Bezüge zur Gegenwart herstellen", meint Koller. Es bleibt jedoch die malerische Kulisse - selbst das elende Leben in Mailand wirkt eher pittoresk. Der Kern der Geschichte - Bruderschaft, Solidarität und Nächstenliebe - ist schön herausgearbeitet. Die Darsteller überzeugen, vor allem die jungen, Moritz Bleibtreu eher weniger. Koller hat einen Jugendbuchklassiker klassisch fürs Kino aufbereitet - als Drama um Tessiner Buben von gestern für die Familie von heute.

18.02.2024

3

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Kommentare

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Andi.Hoffmann

vor 10 Jahren

Schade schade eine totale Entfremdung. Hat mit dem Buch überhaupt nichts zu tun.


jumbo3

vor 10 Jahren

Ich finde den Film zu harmlos. Im Gegensatz zum Buch.


Rockabilly_ZH

vor 10 Jahren

nicht so spannend und fesselnd wie das Buch aber ein prima und schöner Film. Solche Filme braucht die Schweiz...


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