Elektro Moskva Österreich 2013 – 89min.

Filmkritik

Hammer, Sichel und Potentionmeter

Filmkritik: Eduard Ulrich

Das Regieduo Elena Tichonowa und Dominik Spritzendorfer legt eine zwar charmante, aber mehr verspielte als systematische Dokumentation elektronischer Musikinstrumente russischer Provenienz vor, die gut unterhält und mit einigen Archivfundstücken auftrumpft. Im Fokus steht die kleine, aber lebendige Szene der Sammler und Tüftler, die das elektroakustische Erbe der Sowjetunion pflegt. Die Musik kommt dabei etwas zu kurz, dafür wird der Bogen weit gespannt und sogar dem KGB die Reverenz erwiesen.

Der Einstieg ins potentialreiche Thema ist schwungvoll und amüsant: Ein weiche Stimme aus dem Hintergrund kommentiert Bilder aus der Gründerzeit der Sowjetunion in einem stark russisch gefärbten Englisch. Dabei wird eine Parallele zwischen der politischen Revolution und der elektrotechnischen Entwicklung gezogen. Auch wenn unklar bleibt, wieviel das eine mit dem anderen wirklich zu tun hat, so wird doch bald klar, dass die Bändigung der Elektrizität und die Epoche der Elektronik für sich einen massiven Einfluss auf die Gesellschaft und den Einsatz von Musik ausübten.

Alles in allem führte dies zu einer vitalen Szene elektronischer Musikerzeugung, deren Relikte heute noch beobachtet und deren Wurzeln immer noch aufgespürt werden können. Da gibt es den moskauer Sammler, der sämtliche Kanäle ausschöpft, um an seine Preziosen zu gelangen, und bei einigen seiner Aktivitäten ist die Kamera dabei. Wichtig ist ihm, dass die Geräte noch funktionieren, denn sie werden noch genutzt. Gezeigt wird ein Ausschnitt einer improvisierten Aufnahmesitzung mit Schlagzeug und elektronischer Klangerzeugung.

Ein anderer Enthusiast erzählt abenteuerliche Geschichten, wie zu Zeiten des kalten Krieges die auf Produktion von Kriegsmaterial getrimmte Industrie genutzt wurde, um legal oder illegal, offiziell oder inoffiziell Komponenten für elektronische Instrumente oder sogar vollständige Exemplare zu erhalten. Ein Glanzstück ist die Aufzeichnung des letzten öffentlichen Gesprächs mit dem Konstrukteur des ersten vollelektronischen Musikinstruments, der Unglaubliches zum Thema Lebenserhaltung behauptet, aber nichts zu seinem Baby, dem Theremin.

Dies ist symptomatisch: Durchaus unterhaltsame und originelle Geschichten ohne offensichtliche Verbindung zum Thema. Vielleicht wäre es auch von Vorteil gewesen, etwas mehr musikalisches Material zu präsentieren. Immerhin erscheinen die Russen als friedliche Menschen, die ohne Hass auf den Westen ihrer Leidenschaft frönen und die Leistungen ihrer Industrie illusionslos kommentieren.

05.06.2024

3

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