CH.FILM

L'escale Frankreich, Schweiz 2013 – 100min.

Filmkritik

Menschen in der Schattenzone

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Der iranisch-schweizerische Filmemacher Kaveh Bakhtiari berichtet von Auswanderern, die über die Türkei illegal nach Europa einzureisen versuchen. Auf der Suche nach einem vermeintlich besseren Leben. Immer mehr dieser Glückssucher stranden aber bereits an der Grenze zum EU-Staat Griechenland. Sie kommen dabei um, werden verhaftet, müssen untertauchen. Und warten dann oft unter demütigenden Umständen auf eine Chance, weiterzuziehen, einer ungewissen Zukunft entgegen.

Es sind Menschen in der Schattenzone. Ohne Familie, von Schleppern oft um Hab und Gut gebracht und traumatisiert. Die Idee zu Film kam Bakhtiari, als er seinen - inzwischen verstorbenen - Cousin Mohsen nach dessen Entlassung aus einem Athener Gefängnis traf. Über diese Begegnung lernte er einen gewissen Amir kennen. Auch er Einwanderer, der aber über eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung verfügte. Im Souterrain einer zur Behelfswohnung umfunktionierten Waschküche in Athen betrieb Amir ein Übergangshospiz, wo Hilfesuchende gegen wenig Entgelt Kost und Logis erhielten und etwa bei der Beschaffung falscher Papiere unterstützt wurden.

Bakhtiari, 1979 in Teheran geboren und seit dem 9. Lebensjahr in der Schweiz ansässig, gelang es, das Vertrauen von sieben Iranern und einem Armenier zu gewinnen. 2012 lebte er, mit nur wenigen Unterbrüchen, mit ihnen zusammen und dokumentierte mit einer kleinen Digitalkamera den gemeinsamen Alltag. Ein Dasein, das von ständiger Angst vor polizeilichen Repressalien begleitet war. Als prominenter Künstler mit Schweizer Pass war Bakthiari natürlich geschützter als seine Protagonisten und blieb irgendwie der Aussenseiter. Er wurde aber als loyaler Chronist von seinen Hausgenossen akzeptiert.

In L'escale sind aus Sicherheitsgründen nur wenige Aussenaufnahmen zu sehen und so bleibt der Filmemacher, im Sinne des Wortes, mit seinen Bildern hautnah bei der Schicksalsgemeinschaft. Er vermittelt berührend das dumpfe Gefühl von Klaustrophobie, zeigt aber auch, dass aller Unbill zum Trotz neben Zweckoptimismus echte Funken Hoffnung, sogar melancholischer Humor weiterglimmen.Wer allerdings vertiefende Analysen zur dramatisch rigider werden Abschottungspolitik in der Migrationsproblematik erwartet, wird nicht bedient. Kaveh Bakhtiari lenkt den Blick auf die persönliche, intime Ebene. Und so gelingt ihm ein aussergewöhnliches Plädoyer für den global weiterhin mit Füssen getretenen Grundsatz, dass die Würde des Menschen, jedes Menschen, unantastbar sein sollte.

17.02.2024

4

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Kommentare

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Rockabilly_ZH

vor 10 Jahren

berührend, gefühlvoll, emotional


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