Siddharth Kanada, Indien 2013 – 96min.
Filmkritik
Glaube Lüge Hoffnung
Indien wird im Film gern farbenfroh und feierfreudig präsentiert, die große Masse lebt aber in prekären Verhältnissen. Nun wagt es ein mit kanadischer Hilfe entstandenes Werk, die grundlegenden Probleme der indischen Gesellschaft zu thematisieren, ohne das Publikum mit dramatischen Extremfällen oder exotischen Abartigkeiten vor den Kopf zu stoßen. Aufhänger ist die Suche eines Vaters nach seinem ca. 12jährigen Sohn, der nach einem Arbeitsaufenthalt in einer anderen Stadt nicht zurückkehrt. Die geografische und soziale Odyssee des Vaters wird so zur Tour d'Horizon der gesellschaftlichen Missstände.
Kleine Familie, große Probleme: Vater, Mutter, ein ca. 12jähriger Sohn, eine ca. 8jährige Tochter, das Geld ist knapp. Der Vater arbeitet selbständig, er zieht zu Fuß als Reparateur von Reißverschlüssen durch die armen Quartiere Neu-Delhis, preist seine Dienste per Lautsprecher an. Die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Der Sohn bekommt die Gelegenheit, in einer anderen Stadt einen Monat lang zu arbeiten. Als er nicht zurückkehrt, beginnt der Vater mit Nachforschungen und macht sich schließlich auf die Suche. Was bisher selbstverständliche Grundierung war, wird nun zum zentralen Thema: die Probleme der indischen Gesellschaft. Das Drehbuch ist die Stärke des Films, drei Namen zieren es, derjenige einer Kanadierin und derjenige des Regisseurs sind darunter. Es zeigt die ärgsten Probleme, aber verurteilt nicht einfach. Mit ein wenig Wissen über die gnadenlos hierarchische Kastengesellschaft und ein wenig Verständnis für die in Asien so wichtige Fassade, für das Wahren des Gesichts, kann man den Windungen der Handlung und der Gefühlsregungen des Elternpaares gut folgen, auch wenn vieles aus europäischer Sicht seltsam anmutet. So stellt sich beispielsweise bald heraus, dass der Sohn nicht bei einem Verwandten arbeitete, sondern bei einem nur lose Bekannten des Schwagers. Traurig eindrücklich die Ökonomie der Armut, die Suche nach dem Sohn bekommt so eine heikle Dimension, die den Wert des Kindes finanziell kalkulierbar macht. Der Vater erfährt überraschende Solidarität, muss dubiose Angebote ausschlagen, Vater und Mutter müssen über ihre Schatten springen. Man könnte sie als symbolische Repräsentanten der indischen Gesellschaft verstehen: An ihnen wird die dringend nötige, aber nur extrem langsam fortschreitende Entwicklung manifest. Der mit einfachen Mitteln und westlichem Geld produzierte Film fasst die Mühseligkeiten und Zumutungen des Lebens an der Unterkante der Gesellschaft in schlichte, angemessene Bilder.
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