What Moves You - Jetzt kommt alles in Bewegung Deutschland 2013 – 68min.

Filmkritik

Das Leben tanzen

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Eurythmie ist eine tänzerische Gestaltungsform, die oft als Sichtbarmachung von Musik und Sprache bezeichnet wird. Bekannt seit hundert Jahren, wird sie vorwiegend noch als Fach an Waldorfschule gepflegt. Um das Interesse an der faszinierenden Disziplin neu zu befeuern, wurde in Berlin ein ehrgeiziges Projekt realisiert, das der Schweizer Christian Labhart filmisch gekonnt, sensibel begleitet.

83 ausgewählte Studenten und Studentinnen aus 14 Nationen trafen sich 2012 in Berlin-Kreuzberg, um mit sieben Choreografen und Projektleitern eine ambitionierte Eurythmie-Choreographie zu den Klängen von Ludwig van Beethovens 5. Symphonie und Arvo Pärts Werk "Fratres" einzustudieren. Das Besondere: Die Akteure im Alter von 17 bis 23 Jahren hatten unterschiedliche Kenntnisse der Materie Eurythmie und nur vier Wochen Zeit für die Vorbereitung von zwei Publikumsaufführungen, zusammen mit einem russischen Jugendorchester.

Der Schweizer Regisseur und Autor Christian Labhart hat die Chronik dieses Produktionsexperiments filmisch festgehalten. Impressionen aus den Probephasen, Diskussionen im Leiterstab und Statements von Mitwirkenden werden zu einer Chronologie der Ereignisse und vermitteln einen plausiblen Eindruck eines kreativen Prozesses. Dabei wird kenntlich, wie aus heterogen besetzten Arbeitsgruppen Teams werden und wie aus Teams letztlich ein ganzheitliches Ensemble entsteht. Labhart, das ist unübersehbar, ist erstaunlich nahe an seine Protagonisten herangekommen, wahrt aber doch Distanz. Flashartig unterhaltsam erfährt man einiges über das Sein in der Gemeinschaft auf Zeit in der Metropole Berlin und über die Gruppendynamik bei der Arbeit. Wobei heikle Momente nicht ausgeblendet werden - etwa die schmerzvolle Verunsicherung nach dem Weggang eines Ensemblemitglieds oder die emotionale Kritik einer Studentin an einer künstlerischen Leiterin; man ahnt, dass da einiges an Konfliktpotenzial zusammengekommen ist.

Labhart verzichtet auf reisserische voyeuristische Attitüden, was seinem Werk eine feine Anmutung verleiht. Umso mehr, als er die Eurythmie nicht schwärmerisch zur Heilslehre für das menschliche Miteinander verklärt: Er präsentiert ganz ohne Oberlehrerallüren moderne junge Frauen und Männer aus diversen Kulturkreisen und sozialen Milieus, die durch die gewonnene Kenntnis der Eurythmie ein ambitioniertes Projekt in die bestmögliche Form bringen. What Moves You ist eine Filmdokumentation von bemerkenswerter dramaturgischer Präzision und inspirierender, ethischer Eleganz.

16.09.2013

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