CH.FILM

Zum Beispiel Suberg Schweiz 2013 – 90min.

Filmkritik

Dorfwelt im Wandel

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Filmemacher Simon Baumann (Image Problem) beleuchtet in seiner Dokumentation Zum Beispiel Suberg die Vergangenheit und die Gegenwart eines, seines Dorfes.

Suberg. Keine Perle des Mittellandes, sondern ein durch die Bahnlinie in zwei Teile geschnittenes, vom Bauboom zersiedeltes Kaff. Einer der insgesamt 612 Einwohner ist Simon Baumann. Aufgewachsen in Suberg, wieder wohnhaft in Suberg, alt werdend in Suberg - davon geht der 34-jährige Filmemacher jedenfalls aus.

Die meiste Zeit seines Lebens hat Baumann also in diesem Suberg verbracht. Trotzdem sind dem Eingeborenen die meisten Dorfbewohner fremd. Dies zu ändern ist ihm ein Anliegen, doch sind die meisten Begegnungsstätten wie etwa der Dorfladen längst Geschichte. Warum also nicht im Männerchor mitsingen? Öfters steht Baumann zudem vor Hecken und an Türschwellen, er will diese Suberger kennen lernen. Einmal darf der "Buume" dann auch gleich "abfaahre" - seinerzeit hatten die politisierenden Eltern den Bau einer Bahnunterführung bekämpft, was manch ein Dorfbewohner ihnen nie verziehen hat.

Die Vorfahren Baumanns sind eng mit Suberg verbunden. So überblenden sich die Chronik der Familie und die des Dorfes des Öfteren. Mit wackligen Super-8-Filmausschnitten tastet der Filmer die persönliche Vergangenheit ab, um auch auf diese Weise den Wandel eines Dorfes zu ergründen. Baumann tut dabei gut daran, nicht der Verklärung der Nostalgie zu verfallen. Dem damaligen Zusammenhalt der Menschen stellt er etwa die starren Geschlechterrollen gegenüber, die man sich nicht mehr in die heutige Gesellschaft zurückwünscht.

War Baumanns letzter Film Image Problem eine gelungene Satire auf die Schweiz, so ist Zum Beispiel Suberg ein differenziertes filmisches Mosaik, das den globalen Zeitgeist in einer Nussschale vor Augen führt. Der Neoliberalismus bildet sich hier im Wegfall der Kleinbetriebe ab, das Streben nach Luxus in der Ferrari-Vermietung. Die mit Hecken eingemauerten Häuser sind die Kokons, die sich Leute mit iPods und Handys spinnen, und so die zwischenmenschliche Zersiedelung vorantreiben.

Alle paar Minuten seufzen wäre da angebracht, wenn Baumann in seiner umsichtigen Doku nicht den Weg zeigen würde, wie Suberg und die Welt wieder zu besseren Orten werden können. Mit seiner Vorgehensweise appelliert er an die Eigeninitiative als erstes Mittel zur Veränderung. Unnötig aufgesetzt erscheint da zwar das Verteilen von Nussstangen am Bahnübergang. Sonst aber beobachten wir hier keinen Filmemacher, sondern einen Bürger einer Gemeinde, der mit ungekünstelter Aufgeschlossenheit und Neugier sein Lebensumfeld kennenlernen, verstehen lernen will. Zum Beispiel Suberg ist so ein scharfsichtiger Blick auf das Landleben geworden, und ist als solcher das willkommene Gegengewicht zu den vielen Schweizer Heile-Welt-Filmen der letzten Jahre.

16.10.2024

4

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Kommentare

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Patrick

vor 10 Jahren

Ein interessanter Einblick ins Dorfleben von anno dazumals und von heute, nur sind teilweise die Filmszenen arg in die länge gezogen und somit kommt die Doku im Zeitlupen Tempo daher. Für Menschen vom Dorf sicher ein muss.


Philippe.Eduard

vor 10 Jahren

Zeigt, wie die Schweizer ticken. Am morgen aufstehn zur Arbeit fahren nach Hause kommen Tür Abschliessen und schon ist der Tag vorbei. (Kann man nicht von allen behaupten aber vom Grossteil schon). Sehr sehenswert... 5/5!


bluii

vor 10 Jahren

Absolut genial! Stösst uns zwar manchmql vor den Kopf, zeigt aber eben genau wie es eigentlich ist. Man kommt mit gemischten Gefühlen aus dem Kino. Der Film zwingt einem zum denken und hat sehr viel Wahrheit.


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