A Blast Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande 2014 – 84min.

Filmkritik

Flucht als letzte Rettung

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Eine Frau Mitte 30, die an den Anforderungen der Gesellschaft, dem abwesenden Partner und einer gewaltigen Schuldenlast zu Grunde geht - bis sie die Reißleine zieht und ausbricht. "A Blast" ist ein zwingendes, packendes Drama voller radikaler Szenen.

Eines Tages hält es Maria (Angeliki Papoulia) nicht mehr aus: die ganzen Belastungen und Probleme treiben sie dazu, sich einfach in ihren Jeep zu setzen, davon zu fahren und alles hinter sich zu lassen. Zu dieser Eskalation führten in erster Linie die Abwesenheit ihres Seefahrer-Gatten, die sich ständig einmischende Verwandtschaft und die immer distanzierte Mutter, die der Familie nach dem Tod einen ungeheuren Schuldenberg hinterlassen hat. Innerhalb kurzer Zeit hat sich Maria von der Vorzeige-Mutter und liebevollen Ehefrau zu einer Person entwickelt, die die Flucht in eine ungewisse Zukunft antritt.

Der nach Homeland (2010) zweite Spielfilm vom griechischen Regisseur Syllas Tzoumerkas ist ein kompromissloses (Familien-) Drama von immenser Wucht. Die griechisch-deutsch-niederländische Koproduktion steht im Kleinen, nämlich im Rahmen einer Familie, auch beispielhaft für die gegenwärtige Stimmung und Verfassung der gesamten griechischen Bevölkerung. Hier wie dort herrschen Verzweiflung, Unsicherheit und Wut vor. Die Hauptdarstellerin des Films, Angeliki Papoulia, ist bereits seit längerem bekannt, vor allem aufgrund ihrer Rollen in den meisterhaften Indie-Psychodramen Dogtooth und Alpen.

An die Qualität dieser beiden Filmen reicht A Blast durchaus immer wieder heran, wenn es Tzoumerkas gelingt, mit "A Blast" ein raues, mitunter schwer zu verdauendes Drama von immenser psychologischer Wucht und Dringlichkeit zu entwerfen. Dieser Umstand ist vor allem zwei Dingen geschuldet: der mitreißenden darstellerischen Leistung von Angeliki Papoulia, die ihre innerlich immer mehr zerfallende Figur mit vollem (Körper-) Einsatz darstellt sowie die Parallelmontage aus Vergangenheits- und Gegenwarts-Szenen, zumeist mit verwackelter Handkamera eingefangen. Rückblenden in das Leben von Maria der vergangenen Jahre zeigen eine oft lebensfrohe, optimistische junge Frau etwa Mitte bis Ende 20.

Und sie zeigen noch mehr: z.B. den Beginn der leidenschaftliche Beziehung zu ihrem Mann oder jenen Moment, als Maria die Zusage für ihr Jura-Studium in Athen erhält. Augenblicke vollkommenen Glücks und unbändiger Lebensfreude. Die Widrigkeiten der Zukunft sind noch sehr fern. Umso verstörender wirkt es, wenn Regisseur Tzoumerkas wieder ins Hier und Jetzt blendet, wenn er zeigt, wie Maria langsam aber sicher die Kontrolle über ihr Leben und ihre seelische Verfassung verliert: da ist die Mutter, die der Familie einen gewaltigen Schuldenberg überträgt oder der Mann, der praktisch nie zu Hause ist. "A Blast" ist ein trostloser, aufwühlender und gleichzeitig sehr mutiger Film.

17.02.2024

4

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Kommentare

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zuckerwättli

vor 9 Jahren

Selten so einen wütenden Film gesehen. Anspruchsvoll, auch strukturell, aber sehenswert.


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