The Look of Silence Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Indonesien, Israel, Niederlande, Norwegen, Grossbritannien, USA 2014 – 90min.

Filmkritik

Gegen das Verdrängen

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Widmete sich Joshua Oppenheimers preisgekrönter Dokumentarfilm The Act of Killing den Tätern, die auf Geheiß des indonesischen Generals Suharto Mitte der 1960er Jahre unzählige vermeintliche Kommunisten abschlachteten, gibt The Look of Silence nun den Opfern eine Stimme. Erneut ist ein Werk entstanden, das sprachlos macht angesichts der noch heute fehlenden Bereitschaft, den Massenmord kritisch zu hinterfragen.

Oppenheimers Protagonist ist der Optiker Adi, dessen Bruder Ramli nach dem Militärputsch von 1965 verhaftet und grausam getötet wurde. Im Gegensatz zu seinen Eltern, die wie so viele Opferfamilien aus Angst über den Genozid schweigen und ihren Schmerz nach außen verbergen, macht sich Adi, begleitet von der Kamera, auf die Suche nach Antworten. Spricht mit Tätern und ihren Verwandten, hakt seelenruhig, aber entschieden nach und legt so Rechtfertigungs- und Verteidigungsmechanismen offen, die selbst 50 Jahre nach dem Massaker fest in der indonesischen Gesellschaft verankert sind.

Zu einer Aufarbeitung kam es nie. Einerseits, weil viele Verantwortliche nach wie vor in einflussreichen Positionen sitzen. Andererseits, weil Suharto und seine Gefolgsleute das Ausmerzen der angeblichen kommunistischen Gefahr als Segen für die Demokratie deklarierten und die wahllosen Tötungen zu Heldentaten verklärten. Eine Argumentation, die – das zeigt der Film an einer Stelle – weiterhin in Schulen Verbreitung findet.

Erzeugte The Act of Killing vor allem dadurch Beklemmung, dass die stolzen Täter ihre früheren Verbrechen vor laufender Kamera bereitwillig und detailreich nachspielten, ist es nunmehr erschreckend, wie viel Unverständnis Adi in seinen Unterhaltungen entgegenschlägt. Dass ein direkt Betroffener unbequeme Fragen zur persönlichen Schuld stellt, empfinden viele Gesprächsteilnehmer als unerhört. „Was passiert ist, ist passiert“ oder „Man sollte nicht zu tief graben“ sind Antworten, die der Optiker immer wieder zu hören bekommt. Und manch ein Interviewpartner lässt sich sogar zu einer offenen Drohung hinreißen. Nachdenklich stimmt auch das westliche Fehlverhalten, das Oppenheimer in einigen Momenten anklingen lässt. Schließlich hat niemand dem Töten Einhalt geboten. Im Gegenteil, die Amerikaner etwa feierten das Massaker als Sieg über den Kommunismus.

Dass das Zusammenleben von Opfern und Tätern und die fehlende Auseinandersetzung mit den blutigen Geschehnissen hochgradig problematisch sind, zeigen die intimen, häufig schweigsamen Szenen aus dem Alltag von Adis Familie. Gerade hier wird deutlich, wie tief die Trauer über den unbegreiflichen Verlust noch immer sitzt.

19.02.2024

4

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Kommentare

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nicca23

vor 9 Jahren

Grossartiges, kaum ertragbares, aber wichtiges Zeitdokument. Nichts für Zartbesaitete. Der Film zeigt eine Seite Indonesiens, die vor Ort und in unseren Breitengraden viel zu wenig beachtet wurde. Dass die Verbrechen von damals bis heute nicht aufgearbeitet, geschweige denn bestraft wurden, macht fassungslos.Mehr anzeigen


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