Florence Foster Jenkins Grossbritannien 2016 – 111min.
Filmkritik
Jeder Ton kein Treffer
Eine reiche, ältere New Yorkerin beschliesst, es nochmals mit dem Singen zu probieren. Die Überzeugung ist gross, die Fähigkeiten sind begrenzt, die Fremdschäm-Momente zahlreich.
Kartoffelsalat und Musik – für diese beiden Dinge hegt die Florence Foster Jenkins (Meryl Streep) eine besondere Leidenschaft. Die tägliche Ration Klassik brachte die gutbetuchte Dame durch ein langes Leben, obschon sie bereits mit 18 Jahren an Syphilis erkrankte. Damit zerfiel auch der Traum einer eigenen Musikkarriere.
Eines Tages im New York des Jahres 1944: Foster Jenkins besucht mit ihrem zweiten Mann, dem Engländer St. Clair Bayfield (Hugh Grant), ein Konzert in der berühmten Carnegie Hall. Davon fährt sie dermassen inspiriert zurück, dass sie den dürren Pianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg , «Big Bang Theory») anheuert, und dazu einen der renommiertesten Gesangslehrer des Landes. Der lächelt dann so falsch, wie die Schülerin singt: Zielsicher trifft die Gute keinen einzigen Ton.
Um Foster Jenkins nicht zu entmutigen, pampert sie das Umfeld. Sie wiederum, frei von Selbstreflektion und beseelt von ihrem Traum und dem geheuchelten Zuspruch, geht in die Offensive: Auf die Proben soll nun ein Konzertabend folgen. Während McMoon nun winselnd um seine Reputation fürchtet, tut Bayfield sein Bestes, die Liebste möglichst zu schützen. Nicht etwa durch das Ausreden der Idee, sondern durch die handsortierte, geldunterstützte Auswahl der Besucher. Tatsächlich geht sein Plan auf – doch will nun seine «Bunny», wie er sie liebevoll nennt, noch mehr...
Die Geschichte klingt vertraut: Eine Person, deren Überzeugung gross und Fähigkeiten ziemlich begrenzt sind, erinnert uns an die Möchtegern-Talente, die man in den «Leider Nein»-Runden der Casting-Shows dieser Erde antrifft. Florence Foster Jenkins exponierte sich schon Jahrzehnte vor diesen Sendungen selbstbewusst einem grösseren Publikum. Tatsächlich fand sie eine grössere Gefolgschaft, wenngleich nicht aus Gründen des harmonischen Klangs. Stattdessen amüsierte die Banalität ihrer Auftritte. Nicht wenige sahen in ihr allerdings auch eine reizvolle Bruchstelle in der E-Musik, die sich als superior gegenüber allen anderen Stilrichtungen betrachtete.
Es ist eine wunderbare Ironie, dass Foster Jenkins ausgerechnet von einer der talentiertesten Schauspielerinnen überhaupt verkörpert wird: Meryl Streep, der Ersten. Wir hören sie noch in Mamma Mia gross aufsingen und in Ricki and the Flash leidenschaftlich Springsteen covern. Hier hingegen bildet die Perfektionistin gekonnt das Unperfekte ab: Streep gackert wie ein aufgescheuchtes Huhn und lernt jedem noch so beharrlichen Metronom das Fürchten.
Blosse Comedy ist das nicht. Streep lässt hier auch die ernsten Nuancen ihrer Figur deutlich hervortreten. Hugh Grant erweitert dieses Bild einer keineswegs nur naiven Frau, indem er als angetrauter Gentleman ihr liebevolles Gegenstück bildet. Hinter dem Fremdschäm-Amüsement dieses Films verbirgt sich überraschend viel Herz – und nicht zuletzt eine durchaus inspirierende Passion für die Klassik.
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Kommentare
Ihr Name klingt wie ein Gedicht, ihr Gesang gleicht einer akustischen Folter. Stephen Frears ist ein weiterer Geniestreich gelungen. Er hat dieses Biopic mit viel Komik ausgestattet und einen Hauch Melodramatik mit einfließen lassen. Dabei wirkt Meryl Streep nie lächerlich. Auch wenn sie in ihrer egozentrischen Borniertheit schon mal etwas sonderbar daherkommt. Sie verkörpert eine echte Diva eben und es gelingt ihr sie nie lächerlich erscheinen zu lassen. Daran hat auch ihr Gigolo Bayfield (Hugh Grant) einen großen Anteil. Er zeigt hier, dass er gefühlvolle Komik rüberbringen kann. Und wenn sie am Ende der Krebs holt, hat auch Grant seine großen schauspielerischen Momente. Seine Komik wird nur noch vom kleinen Pianisten McMoon (Simon Helberg) übertroffen, in dessen Mimik man wie in einem Comic lesen kann. Zwar etwas versteckt und leise, aber äußerste wirksam.
Auch die Wende vom Höhepunkt ihrer Karriere in der Carnegie Hall ist großartig. Bei freiem Eintritt sitzen im Publikum Soldaten, die die Lachorgie (ha, ha, ha!) aufgreifen und johlen. Nina Arianda, ein Mädchen aus der Bar, rettet ihr eindrucksvoll den Hals.
Und kurz bevor F.F.J. wegdämmert, hört sie sich noch einmal richtig schön singen. Netter Abgang. Alle Akteure spielen hier die komödiantische Seite ihres Talents genial aus, das Stephen Frears aus ihnen herausgekitzelt hat.… Mehr anzeigen
Ein charmanter Film mit viel Humor, aber auch sehr feinfühligen Momenten. Meryl Streep einmal mehr grandios, in diesem Film stiehlt ihr Hugh Grant und Simon Helberg aber fast ein bisschen die Show. Starke Leistungen, berührende Geschichte, toller Film!
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