Härte Deutschland 2015 – 89min.
Filmkritik
Last, Lust und Läuterung
Der Typ war ein Zuhälter der schlimmsten Sorte: Der Berliner Andreas Marquardt hat Frauen drangsaliert, geschlagen, ausgebeutet und Millionen verdient. Erst im Knast kann er den Teufelskreis von Missbrauch und Gewalt durchbrechen. Rosa von Praunheim hat ihm die beeindruckende Dokufiktion Härte gewidmet.
Ein Kerl voller Saft und Kraft – auch nach markanten Höhen und Tiefen und bald 60 Jahren. Er ist ein Kind der späten Fünfzigerjahre, der Wirtschaftswunderzeit in der BRD. Doch Andreas Marquardt wird Opfer seiner Eltern. Sein Vater, ein Schläger und Sadist, liess die Familie früh im Stich. Und seine Mutter band ihn an sich wie einen Schosshund, missbrauchte ihn und hielt sich den Sohn quasi als Liebhaber. Diese geschundene Kindheit prägte ihn, seinen Hass gegen Frauen, schürte seine Gewaltbereitschaft und Herrschsucht. Im Berliner Rotlichtmilieu stieg er zum gefürchteten Brutalo-Zuhälter auf. Er schikanierte die Frauen, die für ihn anschaffen mussten, schlug sie und beutete sie aus. Seine willigen Huren machten ihn zum Millionär. Eine von ihnen, Marion Erdmann, liebt ihn, leidet und kann trotz seiner Schläge und Brutalität nicht von ihm lassen. Sie hielt auch zu dieser menschlichen Bestie, als er auf die Schnauze fiel, verurteilt wurde und in den Knast wanderte. Hier lernte er, sich zu öffnen, sich einem Therapeuten anzuvertrauen, sich seiner Vergangenheit zu stellen. 2003 kam Macker Marquadt nach acht Jahren Zuchthaus frei. Heute ist der Kampfsport-Champion in einer Neuköllner Sportschule tätig, betreut Kinder und engagiert sich sozial.
Dem Dokumentarfilmer Rosa von Praunheim (Meine Mütter, Die Jungs vom Bahnhof Zoo) gelang der Spagatschritt: Er verknüpfte Gegenwart (farbig) mit Vergangenheit (schwarzweiss), bietet den Protagonisten Andreas Marquardt und seiner Partnerin Marion ein Forum, sich heute zu erklären, auch sich zu besinnen. Und das tun sie offen und offensiv. Vor allem Marquardt beschönigt nichts. Andererseits inszeniert Praunheim die Kindheitsgeschehnisse, die unheilvolle Luden-Zeit des brutalen Frauenhassers in Berlin, die Opferrolle Marions und ihr Liebes-"Triumph". In den Schauspielern Hanno Koffler (Krabat, Freier Fall) als Macho-Zuhälter und Luise Heyer (Jack, Westwind als geschundenes Lamm fand er ideale Darsteller. Aber auch Katy Karrenbauer (Cloud Atlas) agiert als Mutterbiest vortrefflich.
Praunheims Dokufiktion basiert auf Marquardts autobiographischem Buch «Härte: Mein Weg aus dem Teufelskreis». Fraglos gehört Härte zu den besten Kinoarbeiten des bekennende Schwulen von Praunheim. Selten wurde das Thema des Kindsmissbrauchs und dessen Folgen, aber auch die Läuterung so packend nah und authentisch geschildert wie in diesem Film.
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