Ich und Kaminski Belgien, Deutschland 2015 – 124min.
Filmkritik
Mehr Schein als Sein
Als Möchtegern-Starautor agiert Daniel Brühl in Wolfgang Beckers neuem Film. Ich und Kaminski ist ein ironischer Abgesang auf das oft oberflächliche Kunstgewerbe, gespickt mit bissigem Wortwitz und zwei starken Hauptdarstellern.
Eines Tages hört der unter notorischen Geldsorgen leidende Journalist Zöllner (Daniel Brühl) vom blinden, greisen Maler Kaminski (Jesper Christensen), ein ehemals gefeierter Künstler. Zöllner plant, eine Biografie über den abgeschottet lebenden Mann zu schreiben. Die Biografie will er unbedingt noch vor dem Tod des Künstlers fertigstellen. Ein Buch über einen Verstorbenen verkauft sich nämlich weitaus besser als über einen Lebenden. Also macht sich er sich auf den Weg in die Alpen zu Kaminski. Dort angekommen, entpuppt sich der alte Mann als intelligenter, alles andere als hilfloser Zeitgenosse, der Zöllner bald ebenso für seine Zwecke zu instrumentalisieren versucht, wie der Journalist ihn.
Ich und Kaminski beruht auf dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann von 2003. Für Brühl ist es nicht der erste Film, in dem er einen unglücklich agierenden Möchtegern-Schriftsteller gibt, wobei seine Figur in Lila, lila (2009) nicht annähernd so unsympathisch und von maßloser Egozentrik getrieben ist, wie die des Sebastian Zöllner. Nach Goodbye, Lenin!, ist dies zudem der zweite Film von Brühl mit dem Regisseur Wolfgang Becker.
Daniel Brühl verkörpert den Karrieristen Zöllner herrlich skrupellos. Er ist ein übertrieben ehrgeiziger, gewissenloser Egomane, was sich schon im möglichen Buchtitel seiner geplanten Biografie äußert, da er sich hier als erstes ("ICH und Kaminski") nennt. Das wird noch in einer weiteren Szene sehr gut deutlich, wenn Zöllner im alten Atelier in die Vergangenheit des Künstlers eintaucht - seine Kommentare zu den dortigen Entdeckungen könnten kaum mehr von Geld-Gier und Selbstüberhöhung zeugen. Überragend ist auch die Leistung von Jesper Christensen, der als schlagfertig-gewiefter, mysteriöser Maler überzeugt.
Zu Beginn gelingt es Zöllner noch gut, sich bei Kaminski einzuschleimen, ihn um den Finger zu wickeln und spannende Anekdoten aus seinem Leben zu entlocken. Das ändert sich jedoch, als sich die Beiden auf eine Reise zu Kaminskis alter Jugendliebe und Muse begeben. Hier wandelt sich der Film dann ein wenig in Richtung Roadmovie, wird aber in seinen Dialogen und der Beziehung zwischen den Hauptfiguren noch bissiger und ironischer als zuvor. Bald ist klar: die Beziehung ist nicht so klar wie angenommen, denn längst spielt auch der alte Mann sein doppelbödiges Spiel mit Zöllner. Auf stets humorvoll-satirische und manchmal auch emotionale Art, ist der Film eine entwaffnend ehrliche Abrechnung mit Lebenslügen, Schein, der eigenen Identität und letztlich auch der oft oberflächlichen Kunst- und Promi-Welt.
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Kommentare
Ein Film über die boshafte Beliebigkeit des Lebens, der Kunst - und deren Kritiker. 3 beliebige Sterne (dem Kommentar zuliebe, der Film war nämlich ganz gut!)
‘Der Esel nennt sich immer zuerst‘, hätte man früher gesagt. Der weltberühmte Maler ist ja wohl bedeutender als der kleine Kritiker Sebastian Zöllner (Daniel Brühl). Davon abgesehen ist es kein Film für Leute, die mit Kunst nichts am Hut haben. Für die andere kleine Zielgruppe ist der Film allerdings ein Hochgenuss. Eine ironische Betrachtung des Kunstbetriebes mit einem liebevollen Einblick in die intersoziale Komponente zwischen Künstler und seinem Werk und der Vermarktung von Kunst. Daneben ist es ein Roadmovie. Beide Männer machen sich auf, Kaminskis Modell und Jugendliebe Therese (Geraldine Chaplin) zu (be) suchen. Die fühlt sich offenbar recht wohl im Ensemble von so viel prominenten Kollegen (Hader, Kurt, Lavant u. a.), wirft aber gleichzeitig mit Alzheimer-Light einen nostalgischen Schatten auf das Geschehen im Sinne von ‘Es ist vorbei! ‘
Für Nicht-Kunstinteressierte gibt es noch die wunderschöne Landschaft der Berge und eine gerade endende Liebesgeschichte mit Elke (Jördis Triebel) und eine nur optional angedeutete mit Kaminskis mystischer Tochter (Amira Casar), die letztlich aber genauso widerspenstig ist wie ihr Vater.
Interessant die Annäherung und die gleichzeitige Abstoßung des alten Malers (Jesper Christensen) und des jungen Zöllner. Beide brauchen einander. Die geniale Romanvorlage von Daniel Kehlmann, der so gekonnt mit der Wirklichkeit und ihrem Schein spielt, lässt Kaminski auch noch blind sein, obwohl man das nie so recht glauben kann. Das interessante an diesem Film ist das Intermezzo von finanziellem Erfolg und die gleichzeitige Ablehnung desselben. Da ist Witz drin, Egoismus stößt auf Eigensinn und findet oft eine humorvolle Lösung.
Gekonnt die mehrmalige Überblendung von der Realität in ein Gemälde und umgekehrt. Der Abspann mit einem Schnelldurchlauf durch die abendländische Kunst, wobei Klassiker animationsmäßig in Bewegung gesetzt werden, ist ein eigenes kleines Kunstwerk für sich.… Mehr anzeigen
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