Manifesto Australien, Deutschland 2015 – 130min.
Filmkritik
Die dreizehn Gesichter der Cate Blanchett
Ursprünglich erschuf Videokünstler Julian Rosefeldt Manifesto fürs Museum: Cate Blanchett verliest in jeweils 10-minütigen Sequenzen in der Rolle von dreizehn unterschiedlichen Frauen bekannte Künstlermanifeste aus dem 20. Jahrhundert, welche dann zeitgleich in Endlosschleife gezeigt werden. Nun kommt die künstlerische Collage in Spielfilmlänge ins Kino - Manifesto ist damit ein extrem spezieller Film für ein eher kleines Publikum, den man in dieser Art aber bestimmt noch nie gesehen hat.
«Guten Abend, meine Damen und Herren. Alle gegenwärtige Kunst ist Schein» schildert uns Cate Blanchett als emotionslose, perfekt zurechtgemachte Fernsehmoderatorin in einem von den dreizehn Szenarien. Um Kunst geht es häufig in Manifesto - man könnte gar sagen, dass Manifesto selbst Kunst ist: Videokünstler Julian Rosefeldt, dessen Werke unter anderem im MoMa in New York ausgestellt werden, hat mit dem Film nämlich ein Kunstprojekt der Extraklasse verwirklicht. Mittels dreizehn Szenarien in einer meist düsteren Zukunft lässt er die oscarprämierte Australierin Cate Blanchett (Carol) in den verschiedensten Frauenrollen dreizehn voneinander losgelöste Manifeste von Künstlern, Architekten, Choreografen und Filmemachern aus dem 20 Jahrhundert vortragen – das Repertoire reicht von André Breton über Sol LeWitt hin zu Jim Jarmusch.
Auf diese Weise erstellt der in Berlin lebende Rosenfeldt eine Collage, in der Kunst angezweifelt, der Kapitalismus verdammt und die Zukunft von einer jungen Generation hinterfragt wird. Die Thematik der von Blanchett gespielten Rollen ist dabei klar an den verschiedenen Monologen orientiert, wobei das Bewegtbild den Texten eine zusätzliche Komponente verleiht: So sitzt Cate Blanchett einmal zum Beispiel als biedere Hausfrau mit ihrer Familie (ihre drei Söhne sowie ihr Ehemann, Drehbuchautor Andrew Upton sind in dieser Szene mit von der Partie) am Sonntagstisch und spricht das Tischgebet: Das PopArt-Manifest von Claes Oldenburg – es fallen Sätze wie «Ich bin für Kunst, die politisch-erotisch-mystisch ist». Die Settings zeigen sich im Verhältnis zu den Texten oft skurril, geben Blanchett aber die Möglichkeit, ihr volles Repertoire zu zeigen: Sie spielt die aggressive Obdachlose, die kalte Brokerin, die leicht verrückte Puppenspielerin oder eine gefasste Trauerrednerin.
Manifesto erfordert mit dieser doch sehr künstlerischen Zusammenstellung aus den unterschiedlichsten Figuren sowie Monologen einiges an Denkarbeit und Vorwissen vom Zuschauer – schlussendlich ist es aber Cate Blanchett, die den auf den ersten Blick wirren Film zusammenhält. Die Australierin spielt ihre dreizehn Rollen so überzeugend, dass man oft vergisst, dass die 48-jährige Schauspielerin praktisch alle Szenen alleine stemmt. Wie ein Chamäleon wechselt Blanchett von Haarfarben, Dialekten, sozialen Schichten und Gesichtsausdrücken hin und her – wobei sie ihre Rollen teilweise in nur einem Take abdrehen konnte. Dieser extremen Wandelbarkeit zuzusehen, ist faszinierend – wenn man dann auch noch die Manifeste zu interpretieren weiss, kann man an Manifesto durchaus seine helle Freude haben.
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