Der Zucker-und-Salz-Zug Brasilien, Frankreich, Mosambik, Portugal, Südafrika 2016 – 93min.
Filmkritik
Mozambikanisches Melodrama auf Gleisen
Comboio de Sal e Açúcar liegt eine verheissungsvolle Story zugrunde. Man begleitet einen Zug von Mozambik nach Malawi und wird auf der Reise, gemeinsam mit den Heldinnen und Antihelden, mit der Gewalt und Straflosigkeit des Bürgerkrieges, der von 1977 bis 1992 das Land aufrieb, konfrontiert. Wer sich eine tiefgründige, nachdenkliche Auseinandersetzung mit der politischen Stimmung und der gesellschaftlichen Konstellation des Landes zu jener Zeit erhofft, sucht allerdings am falschen Ort. Stattdessen erwartet einen reisserisches, aber durchaus unterhaltsames Actionkino, gepaart mit einer dramatischen Liebesgeschichte.
Man sollte sich nicht mit falschen Erwartungen in den Kinosessel fallen lassen: Comboio de Sal e Açúcar ist Unterhaltungskino, das nicht zum Ziel hat, in das kollektive Gedächtnis der mozambikanischen Gesellschaft einzudringen oder eine tiefgründige psychologische Studie der Kriegszeit vorzunehmen. Gezeigt wird in der mozambikanisch-französisch-portugiesischen Koproduktion dafür eine klassische Liebesgeschichte, eine klassische Auffassung von Gut und Böse und eine klassische Rollenverteilung von Männern und Frauen. Und dies, obschon die Rahmengeschichte jene von mutigen Mozambikanerinnen ist, die die Gefahren einer körperlich und psychisch beschwerlichen Reise auf sich nehmen, um sich und ihre Familien finanziell über Wasser zu halten. Schade, dass es dem Regisseur Licínio Azevedo, brasilianisch-mozambikanischer Doppelbürger, dennoch nicht gelang, Frauen aus ihrer stereotypischen Opferrolle herauszuschälen.
Auf einem vor mehreren Jahren verfassten Buch Azevedos basierend, erzählt Comboio de Sal e Açúcar eine Geschichte von Ungerechtigkeit, von Hilflosigkeit und von Chaos während der Zeit des Bürgerkrieges. Der Film verhandelt die Figur des Soldaten und der Autorität. Er zeigt die Not einfacher Menschen, die wehrlos einer straflosen Gewalt herrschsüchtiger Generäle ausgeliefert sind. Glaubwürdig ist die Schilderung von Schicksalsergebenheit und Abgestumpftheit der kriegsmüden Bevölkerung. Weniger glaubwürdig hingegen die Gegenüberstellung des heldenhaften Taiar, der als Beschützer von Frauen und Menschlichkeit dargestellt wird, und dessen Antagonisten Salomão, der einen überzeichneten, fratzenhaften Bösewicht abgibt.
Bedauerlich ist schliesslich, dass der Film Themen wie die Verschränkung von spiritueller und militärischer Macht oder den Tauschhandel von Salz und Zucker lediglich andeutet, während er Schiessereien und moralisierenden Dialogen sehr viel Platz einräumt. Im Laufe des Films überkommt einen geradezu das Gefühl, dass das grosse Potential der Geschichte unausgeschöpft und die Charaktere unentwickelt bleiben. Trotzdem wird der Action-Liebhaber auf seine Kosten kommen und von der episch anmutenden Kulisse beeindruckt sein. Comboio de Sal e Açúcar ist ein gut gemachter Actionfilm. Nicht mehr und nicht weniger.
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