CH.FILM

Das Mädchen vom Änziloch Schweiz 2016 – 87min.

Filmkritik

An Grenzen gehen und sich finden

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Die Luzernerin Alice Schmid setzt ihre Filmarbeit um Menschen und Natur im luzernischen Napfgebiet fort. Die junge Laura Larissa Röösli war schon im Film Die Kinder vom Napf (2011) dabei. Jetzt ist sie «Das Mädchen vom Änziloch», in einem intimen Film über ein Mysterium, Zweifel, Hoffnungen und Selbstfindung.

Das Änziloch ist ein spezieller Ort in Romoos, ein geheimnisvoller Talkessel, ein Mysterium. Die Änziloch-Geschichten drehen sich um junge verbannte Mädchen, um eine verärgerte Tochter, die ihren Vater mit einem Stein traf, um Jungfrauen. Natürlich reizt dieser «verbotene Ort» auch die zwölfjährige Laura. Jäger warnen vor dem Abstieg, denn in der Schlucht droht Steinschlag von der 200 Meter hohen Steilwand. Die pummelige Laura lebt mit ihrer Familie ganz in der Nähe. Der Vater ist Bauer und Köhler. Und mit der Arbeit an schwelenden Kohlenmeiler beginnt Alice Schmids Heimatfilm.

Laura hilft kräftig mit, legt Hand an, ist sich nicht zu schade, dreckig zu werden. Laura Larissa Röösli sucht ihren Weg – und sei's ins Änziloch. Ihre Erfahrungen, Träume und Hoffnungen vertraut sie einem Tagebuch an, das quasi zum Drehbuch wird, zur inneren Sicht – auch für die Regisseurin. Laura pflegt eine Brieffreundschaft (sorry SMS-Kontakte) mit Thom, einem städtischen Jungen, und hofft, dass er sie in den Sommerferien besucht und sich mit ihr ins Loch vorwagt. Thom Straumann (14), der fesche Bursche aus Kriens, kommt tatsächlich. Die beiden haben viel Spass zwischen Wiesen, Wald und Tieren. Doch so ganz ist die Bergwelt nicht sein Ding. Laura wollte ihm eigentlich ein Schafsfell vom Hof nachsenden, aber dann...

Alice Schmid versteht es, Menschen einzubinden, Vertrauen zu schaffen. Nur so liess sich Laura als Hauptdarstellerin in diesem Fall einbinden. Sie ist sich selbst und die Regisseurin ihre grösste Vertrauensperson. Filmen würde sie nur mit «s'Lisi», erklärte Laura bei der Premiere an den Solothurner Filmtagen. Diese enge Beziehung spürt man dem spielerischen Dokumentarfilm an. Menschen, Landschaft, Situationen, Begebenheiten sind authentisch, und doch geht es nicht ohne inszenatorische Sequenzen. Das schadet und verfälscht nicht. Es ist eine Ode an die Landschaft, die Natur und ihre Menschen, hier natürlich vor allem an Laura von Romoos, die sich traut, Ängste überwindet und sich findet. Das Übergewicht wurmt sie, erzählt sie in einem Interview, und sie will das Beste daraus machen.

Alice Schmids intimes Porträt ist nie voyeuristisch. Es ist unspektakulär alltäglich, gibt Einblicke ins einfache Landleben, in die Befindlichkeiten eines Mädchens, das sich öffnet, burschikos seinen Weg geht und im Lauf der Dreharbeiten selbstbewusster wird. Ein stiller Heimatfilm, ganz nahe an Menschen und ihrem ländlichen Umfeld.

15.02.2017

4

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Kommentare

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anabah

vor 6 Jahren

Ja, das Landleben im Entlebuch am Rande des Emmentals ist gewiss sehr speziell. Ich kenne die Gegend von mehreren Wanderungen und tatsächlich ist die Region auch recht mythisch. Das kommt im Film sehr gut rüber mit den wunderschönen Landschaftsaufnahmen. Trotzdem habe ich mir vom Film etwas mehr erwartet: Wie auch andere Kommentatoren dachte ich, dass der Titel Programm ist und sich mehr um die Sage vom Änziloch dreht. Hauptsächlich jedoch ist der Film dokumentarisch und stellt das Mädchen Laura in den Mittelpunkt. Das ist auch sehr interessant und man kann sich ring in die Lage von Laura versetzen. Im Grossen und Ganzen ein sehenswerter und empfehlenswerter Film.Mehr anzeigen


Patrick

vor 6 Jahren

Die Doku zeigt sicher authentisch das Leben von Laura sowie ist die Selbstfindung der Person Laura der Perfekte Filmschluss.Aber dennoch hat die Doku im grossen&ganzen zu wenig Mythologie und ist etwas langatmig.Dafür gibts von mir 2.1/2 Sterne von 5.


Garpuccio

vor 7 Jahren

ein wunderbarer film - das änziloch, die sagen, die sich um die schlucht ranken, das geheimnis, dem laura schliesslich mutig allein auf den grund geht, die ruhigen eindrücklichen landschaftsaufnahmen sowie die bilder des lebens auf dem bauernhof - eine einzige metapher für das neu gewonnene selbstbewusstsein von laura, für ihre gefestigte eigenständigkeit - sie braucht thom nicht mehr, um ihre ängste zu konfrontieren - und sogar das chüngelifell behält sie schliesslich für sich ;-)
feinfühlige und sehr gekonnte verfilmung eines komplexen themas!Mehr anzeigen


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