The Distinguished Citizen Argentinien, Spanien 2016 – 118min.
Filmkritik
Keine Ehre dem Ehrenbürger
Ein Literaturnobelpreisträger kehrt nach 40 Jahren Abwesenheit in sein Heimatdorf zurück, um als Ehrenbürger geehrt zu werden. Dem Heimkehrer schlägt von verschiedenen Seiten Ärger, Missgunst und Hass entgegen. Ein satirisches Drama, komisch und bitterernst aus und über Argentinien.
Ein Literaturnobelpreisträger – nein, keiner wie Bob Dylan, der wenig Respekt vor der Auszeichnung zeigte, sich seltsam zierte, absonderlich reagierte und jüngst so en passant beim Nobelpreiskomitee vorbeischaute – kehrt in seine Heimat zurück nach vierzig Jahren. Literat Daniel Mantovani (Oscar Martinez) hat seine Verbindung zum Heimatort eigentlich nie verloren, hat Menschen aus seiner Heimat in Büchern aufleben lassen, verarbeitet. Nun soll er in Salas geehrt werden – als Ehrenbürger. Er freut sich auf ein Wiedersehen und stösst auf eine Welle von Missgunst und Hass. Einige Dorfbewohner geben sich scheinheilig, andere fühlen sich verletzt, falsch dargestellt in seinen Romanen. Die Wiederkehr wird zum Spiessrutenlauf und der international anerkannte Literat zum Sündenbock gestempelt. Man fragt sich nur wofür? Weil er im Ausland Erfolg hatte und Menschen seiner Heimat in seinen Büchern «benutzte»?
In fünf Kapiteln schildern die Regisseure Mariano Cohn und Gaston Duprat (auch Drehbuch) die fatale Rückkehr und Entwicklung eines Heimkehrers – von der «Einladung» über «Salas» (Name des Dorfes) bis zur «Jagd». Matovani ist nicht willkommen und wird zum Zielobjekt – kein Held, eher Opfer und ungewollt Provokateur.
Wer ist gut, wer schlecht, wer hat Recht? Eine Ambivalenz, die fast allen Figuren hier innewohnt. Das Drama mit ironischen Zwischentönen wird zum Wechselbad zwischen Komödie und Tragödie. In ihm spiegeln sich Aspekte und Verhalten der argentinischen Gesellschaft – im Kleinen. «Man kann den Film als Porträt der argentinischen Gesellschaft betrachten, aber nicht als endgültiges und ausschliessliches», bestätigt Mariano Cohn. «Ich würde sagen, er gleicht einer Postkarte. Er ist unsere Vision der argentinischen Gesellschaft durch das Prisma einer Kleinstadt und ihrer Einwohner.» Der Film avancierte in Argentinien zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahres 2016. Witzige Fussnote: Cohn und Duprat haben aufgrund ihres Filmes beschlossen, einen Roman des erfundenen Nobelpreis-Literaten zu schaffen. Ein anonymer Schriftsteller wurde damit beauftragt, weitere Mantovani-Romane sollen folgen.
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