CH.FILM

Quando ero Cloclo Schweiz 2017 – 105min.

Filmkritik

(K)eine ganz normale Familie

Björn Schneider
Filmkritik: Björn Schneider

Stefano Knuchel erzählt in seiner sehr persönlichen, extrem kurzweiligen Doku *Quando ero Cloclo“ seine abgefahrene Familiengeschichte.


Nicht viele Menschen können von sich behaupten, in 20 Jahren 40 Mal umgezogen und als Kind nie in die Schule gegangen zu sein. Auf Stefano Knuchel aber trifft genau das zu. Und 
noch weit mehr: Mit seiner Familie wohnte er in luxuriösen Villen, das Geld sprudelte und der Alltag war oft eine einzige wilde Party. Das rastlose Leben im Wohlstand stürzte jedoch jäh in sich zusammen, als der Vater verhaftet wurde. Die Familie erfährt: Das Familienoberhaupt war ein Kleinkrimineller und Nachtclubbesitzer, ständig auf der Flucht vor dem Gesetz. Das ganze Geld stammte aus illegalen Geschäften. In Quando ero Cloclo erinnert sich Knuchel an sein irres Leben.

Für seinen Film reiste der Regisseur an viele Orte seiner Vergangenheit und führte ausgiebige Interviews mit der Mutter und den Geschwistern. Der 1966 in Locarno geborene Knuchel arbeitet seit vielen Jahren als Journalist und Moderator. Daneben schreibt er Film-Musik und inszeniert Videoclips. Der Filmtitel bezieht sich auf Knuchels Leidenschaft für den französischen Sänger Claude „Cloclo“ François, den er als Kind oft imitierte und mit Perücke und Jackett zum Leben erweckte.

Mit viel Liebe zum Detail und einem ausserordentlichen Gespür für eine kunstvoll-ästhetische Umsetzung, wagt Knuchel diese sehr persönliche, aberwitzige Reise. Unzählige Fotos und Super-8-Aufnahmen aus dem Familienarchiv vermengt er dabei dramaturgisch geschickt mit gegenwärtigen Aufnahmen: Szenen, die ihn bei seinem Roadtrip zu früheren Wohnorten zeigen. Jene kunstvolle Inszenierung zeigt sich, wenn er etwa die Fotos nicht einfach nur einblendet, sondern verspielt über den Bildschirm wandern lässt. Oder sie in moderne, farbintensive 3D-Fotos transformiert, die mit räumlicher Tiefe und Detailfülle beeindrucken.

Neben den Gesprächen mit einigen Familienmitgliedern gibt es nachgestellte Spielszenen tatsächlicher, früherer Ereignisse, in denen Knuchel selbst die Hauptrolle spielt. Plötzlich ist der Regisseur dann wieder der fünfjährige Junge, der sich heimlich auf eine Hausparty der Eltern schleicht und die angeheiterte Party-Gesellschaft unter anderem bei skurrilen Schliessmuskel-Experimenten beobachtet.

Quando ero Cloclo steckt voller solcher abseitiger, bizarrer und höchst unterhaltsamer Momente. Auch ganz am Ende, wenn Knuchel noch einmal in die Rolle des von ihm verehrten „Cloclo“ schlüpft und eine besonders schrille Performance an den Tag legt – vor den Augen der Mutter. Diese Szene bringt den exzentrischen Charakter Knuchels wunderbar auf den Punkt. Wer sich an seiner überkandidelten, etwas selbstverliebten Art nicht stört, erlebt 105 sehr amüsante Minuten.

03.04.2024

4

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